TANYA BYRNE: "VON GANZEM HERZEN, EMILY"

Einen Jugendroman der besonderen Art hat die britische Autorin Tanya Byrne mit ihrem Debüt "Von ganzem Herzen, Emily" verfasst, denn das ist ein raffiniert aufgebauter Psycho-Thriller, der bis zuletzt mit seinen Geheimnissen gefangen hält.

Ich-Erzählerin ist die 18-jährige Emily, die ihre Geschichte in einem Schulheft als einziger Möglichkeit festgehalten hat. Dieses Heft findet man, als die Jugendstrafanstalt Archway aufgegeben wird, in ihrer Zelle in der psychiatrischen Abteilung auf einem Schrank. Mit grimmigem Sarkasmus schildert die Delinquentin darin ihr Ringen mit der Psychologin Dr. Gilyard, die über weite Strecken auf Granit beißt im Bemühen, etwas aus Emily herauszubekommen oder ihr gar zu helfen.

Doch Emily kann und will über ihre Gefühle und Ängste ebenso wenig sprechen wie über die Straftat, wegen der sie hier einsitzt. Empfindungen wie Hass und Rache beherrschen sie bis zu einem Gefühl der inneren und äußeren Klaustrophobie und so schoungslos offen sie auch einserseits ist, so kommt doch nur in winzigen Schritten mehr Licht in das, was sie getan hat, und vor allem, warum sie es getan hat. Dennoch wird der Leser von Beginn an ganz und gar gefesselt, zumal sich langsam ein Bild aufgebaut, das dennoch immer wieder weitere unerwartete Nuancen erhält.

Emiliy, die sich selbst als zierlich und blond mit einem Püppchengesicht beschreibt, wurde von einem auf den anderen Tag gewissermaßen aus dem Paradies eines verwöhnten M;ädchens gestoßen, das von seinem Vater vergöttert wurde. Dieser Harry Koll aber war Londons berüchtigster Krimineller. Als er einen ermittelnden Kriminalbeamten in dessen eigener Wohnung im Schlaf erschoss, kam dessen Tochter Juliet darüber zu und stach ihn nieder, damit er nicht auch sie noch umbrachte.

"Danach konnte ich nicht mehr ich sein", kocht es noch immer in Emily, die bis zu dieser verhängnisvollen Nacht nicht einmal geahnt hatte, dass ihr so liebevoller Vater ein Gangster war. Mag es auch objektiv ungerecht erscheinen, von da an ist Emily von Gedanken an Rache an Juliet beherrscht. Und allmählich schält sich deren Heimtücke heraus: sie schlüpft in eine andere Identität und freundet sich mit Juliet an. Fatal ist dabei allerdings, dass sie sich hilflos in Sid verliebt, und das ist ausgerechnet Juliets Freund.

Wie hier drei junge Menschen auf schicksalhafte und zerstörerische Weise zu Opfern werden, das entwickelt sich mit düsterer Wucht. Dass Dr. Gilyard tatsächlich herausbekommt, was wirklich geschehen ist - ganz entgegen den reißerischen Darstellungen der Boulevardpresse über die bösartige Hexe Emily - zeigt die sensible Raffinesse der Psychologin. Zugleich besticht die Darstellung dieser scheinbar so garstigen Hauptfigur, die trotz aller Unbußfertigkeit zur Sympathieträgerin wird.

Mehr aber sei nicht verraten von dieser packenden Mischung aus Schuld und Sühne, aus Liebe und Vergeltung. Das liest sich nicht nur rasant, es klingt auch in seinen galligsten Momenten authentisch, denn die Charaktere wie auch die Athmosphäre sind sehr glaubhaft gelungen. Fazit: ein meisterhaft gelungenes Debüt, das nicht nur junge Leser ab etwa 15 Jahren sondern auch Erwachsene begeistern wird.

 

# Tanya Byrne: Von ganzem Herzen, Emily (aus dem Englischen von Bernadette Ott); 352 Seiten; Oetinger Verlag, Hamburg;

€ 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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