MICHEL ONFRAY: "IM NAMEN DER FREIHEIT"

In diesem November jährt sich der Geburtstag des französischen Schriftstellers und Philosophen Albert Camus zum 100. mal. Die Denkansätze des Literaturnobelpreisträgers von 1957 erscheinen aktueller denn je, trat er doch für Mut, Mäßigung, Ehrlichkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit ein.

Michel Onfray, einer der einflussreichsten Denker Frankreichs und in seinen streitbaren Haltungen gegen alle gesellschaftslichen Strömungen Camus recht ähnlich, hat nun unter dem Titel "Im Namen der Freiheit. Leben und Philosophie des Albert Camus" eine Monographie verfasst, in der er aus seiner Bewunderung für den einflussreichen einstigen Stars des Existentialismus kein hehl macht. Ebenso wenig wie von seiner harschen Kritik an Jean-Paul Satre, dem anderen Star eben dieser Denkrichtung und zugleich Gegner und Kritiker Camus'.

Ihm wirft Onfray vor, mit seinen Legenden und falschen Darstellungen Camus posthum in ein falsches Licht als "schöne Seele" gebracht zu haben. Womit er auch dessen theoretisches Hauptwerk "Der Mensch in der Revolte" entwertet habe. Dabei hält Onfray gerade die Grundhaltung Camus' für besonders vorbildhaft, denn wie nur wenige Philosophen habe er seinem Denken entsprechend gelebt. Zu seiner Ethik der Verantwortung gehörte sein Grundsatz, Gewalt nicht mit Gewalt zu vergelten und Freiheit auch als Verpflichtung zu begreifen.

Das Ideal der Einfachheit habe der in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Camus im Gegensatz zu den verkopften Pariser Philosophen immer hochgehalten und befolgt. Detailliert schildert Onfray den Weg vom zeitweiligen Kommunisten (in den 30er Jahren) bis zum späteren liberitären linken Antikommunisten, der in den 50er Jahren in sein Tagebuch schrieb: "Die Demokratie ist nicht das Gesetz der Mehrheit sondern die Beschützung der Minderheit."

Ein Nietzscheaner sei Camus zudem gewesen und seine Stärke der philosophische Roman. "Der Dichterphilosoph denkt und arbeitet nicht wie ein Professor, sondern wie ein Dichter", postuliert Onfray, der sich gleichwohl durchaus mehr der philosophischen Bedeutung des verehrten Meisters widmet als dem hohen Stellenwert eines immerhin mit dem Nobelpreis gekrönten Schriftstellers, der zu Recht dafür gewürdigt wurde und wird, Werke geschrieben zu haben, die das Leben des Lesers verändern.

Doch Onfray steigt nicht nur in das Schaffen und Wirken dieses Denkers des Absurden ein sondern ebenso in die prägenden oder entgegenstehenden philosophischen Richtungen und Diskurse. Wie sehr Camus' Denken aus seinem Leben heraus erwuchs und wie er es zugleich in seiner Lebensführung umsetzte in einer faszinierenden Parallelität von Biographie und Philosophie - Michel Onfray macht es erfahrbar. Und das ist eine ebenso brillante wie herausfordernde Lektüre, an der der so Gefeierte vermutlich große Freude gehabt hätte.

 

# Michel Onfray: Im Namen der Freiheit. Leben und Philosophie des Albert Camus (aus dem Französischen von Stephanie Singh); 573 Seiten; Knaus Verlag, München; 29,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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