LEON de WINTER: "EIN GUTES HERZ"

Im November 2004 wurde der niederländische Filmemacher und Provokateur Theo van Gogh in Amsterdam auf offener Straße von einem islamistischen Fanatiker ermordet. Van Gogh war nicht nur ein deftiger Islamkritiker, er machte sich auch sinst dauernd neue Feinde, unter ihnen den weltweit erfolgreichen Schriftsteller Leon de Winter, dem er unter für ihn typischen Geschmacklosigkeiten die angebliche Vermarktung seines Judentums vorwarf.

Juristische Schritte helfen da meist wenig, aber wie könnte sich jemand wie de Winter revanchieren - natürlich mit einem Roman. Genau das hat er mit seinem jüngsten Werk "Ein gutes Herz" getan. Doch der Leser wird erheblich überrascht, denn daraus ist keineswegs gallige Rache geworden, vielmehr eine hinreißende und mit ihren aberwitzigen Wendungen immer wieder verblüffende Melange aus Satire, Thriller und Komödie.

Zur Eröffnung wird van Gogh Zeuge seiner eigenen Ermordung und während der Autor hier noch den kruden Duktus des Rassisten benutzt, lässt er dem gemeuchelten Unsympath eine hinterlistige Wohltat widerfahren: er fährt nicht etwa zur Hölle sondern in die andere Richtung! Und es wird noch ätzender für den Zyniker, denn er darf zwar auch im Himmel rauchen und saufen, doch er wird zu einer ernsthaften Aufgabe herangezogen - als Schutzengel, weiße Flügelchen inklusive!

Aber alles wird ja noch viel komplizierter, denn Theos Schützling ist Max Kohn, ein dubioser jüdischer Geschäftsmann mit kriminellem Hintergrund. Der lebt nur noch, weil er soeben ein Spenderherz implantiert bekommen hat. Das wiederum kommt von dem verblichenen schwarzen Franziskaner-Priester Jimmy und das wiederum ist hier im Himmel Theos "Bewährungshelfer". Max Krohn seinerseits forscht nach der Herkunft des rettenden Herzens und erfährt, dass dieser feine Priester der heimliche Geliebte seiner Ex-Frau Sonja war.

Doch Autor de Winter belässt es nicht bei diesem Beziehungsgeflecht, er tritt auch noch selbst auf. Von seiner Ehefrau Jessica Durlacher, einer erfolgreichen Schriftstellerin, soeben geschieden (aber nur hier im Roman!), tröstet er sich mit eben dieser Sonja. Während van Gogh vom Himmel aus mit heftigem Groll auf seinen inzwischen inhaftierten marokkanischen Mörder hinabstarrt, muss er auftragsgemäß und entgegen allem Antisemitismus Max Krohns Leben schützen.

Der aber hat durch die Rettung vorm Herztod - oder hat das titelgebende gute Herz des Priesters gar eine übertragende Wirkung?! - eine Art Läuterung durchgemacht und will Gutes tun. Zum Beispiel mit der Unterstützung einer Gruppe junger Marokkaner, die sich als Fußballmannschaft gibt. Tatsächlich jedoch wollen die jungen Gesinnungsgenossen den Mörder van Goghs befreien und vor Gewalt schrecken sie dabei nicht zurück. So entwickeln sich Ereignisse, die das Land in Aufruhr versetzen und als weitere reale Personen kommt unter anderem der echte Amsterdamer Bürgermeister mit ins Spiel.

Alle haben mit allen zu tun, die Perspektiven wechseln zwischen den Akteuren und de Winter treibt ein spannendes und ebenso raffiniertes wie süffisantes Vexierspiel zwischen Fiktion und Realem. Das hat komplizierte und herausfordernde aber auch viele gewitzte bis komische Elemente. Fazit: hier ist Rache süß und intelligent und wird zum großen anspruchsvollen Lesevergnügen.

 

# Leon de Winter: Ein gutes Herz (aus dem >Niederländischen von Hanni Ehlers); 505 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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