SHANI BOIANJIU: "DAS VOLK DER EWIGKEIT KENNT KEINE ANGST"

Mit 18 die Schule hinter sich, Mode, Ausgehen, erste Liebschaften, Karriere- und Zukunftsträume - das ist das Normale für junge Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Wenn man nicht gerade Yael, Avashag und Lea heißt und erst einmal zwei Jahre Militärdienst in den Israel Defense Forces ableisten muss.

Um wie viel anders ein solcher Alltag aussieht, sich anfühlt und fürs Leben prägt, davon erzählt Shani Boianjiu in ihrem Debütroman "Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst". Die 26-Jährige weiß, von was sie schreibt, denn sie hat es selbst durchlebt und war dabei wie eine ihrer Protagonistinnen als Waffenausbilderin tätig.

In der Ödnis eines Dorfs an der libanesischen Grenze aufgewachsen, gehören für die drei Rekrutinnen auch in den verschiedenen Garnisonen Langeweile, Frust und ungestillter Sex zum Alltag. Aber auch knallharter Drill der Vorgesetzten, egal, ob männlich oder weiblich. Oft helfen nur kleine Fluchten, sei es, dass aus schlichtem Sexhunger ein Rekrut vernascht wird, sei es, dass sich die jungen hübschen Soldatinnen nackt auf einem Wachturm sonnen - der nächste ägyptische Grenzposten ist nicht weit entfernt.

Doch die drei jungen Frauen kämpfen ja nicht nur gegen Einsamkeit, Langweile und Rivalitäten untereinander, es sind auch die grausigen Bilder der Alltagsschrecken im Nahen Osten, hier im Israel kurz vor dem Zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006. Wenn die Drei auch nicht in den Fronteinsatz geschickt werden, so führt sie ihr Einsatz als ausgebildete Soldatinnen mit nicht mal 20 an den alltäglichen Wahnsinn eines Landes in einer Art Dauerkriegszustand seit der Gründung vor 65 Jahren.

Am Grenzübergang erleben sie teils schwer Fassbares, da dreht ein palästinensischer Arbeiter durch und ersticht einen Posten. Schmuggeleien sind an der Tagesordnung und dann läuft eine Frau ins Minenfeld oder ein Kamerad begeht Selbstmord, weil er mit zu vielen Schreckensbildern im Kopf nicht mehr klarkommt. Wenn da die 19-jährige Lea unausgeschlafen in den kugelsicheren engen Transporter mit den vergitterten Fenstern steigt, um zum Kontrolldienst zu fahren, gehört das ebenso zum unvergesslichen Alltäglichen wie das stete Bewusstsein lauernder Gefahren.

Wenn die jungen Frauen dieses Erwachsenwerden unter extremen Begleitumständen endlich hinter sich haben, ist der Militärdienst nicht einfach so vorbei, viel zu vieles bleibt unvergesslich. Shani Boianjiu aber ergeht sich nicht etwa in Larmoyanz oder Bitterkeit. Trocken, nüchtern und zuweilen mit bissigen Humor lässt sie die Frauen erzählen, teils in episodenhaften Kapiteln. Gerade der stets direkte, hautnahe Ton macht das Alles so beklemmend authentisch. Und zu einer Lektüre, die lange nachklingt.

 

# Shani Boianjiu: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst (aus dem Englischen von Maria Hummitzsch und Ulrich Blumenbach); 332 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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