CATHARINA INGELMAN-SUNDBERG: "WIR FANGEN GERADE ERST AN"

Nach der großen Wende von 1989 gab es immer wieder junge Polen, die die plötzliche Reisefreiheit nutzten, um aus dem ärmlichen heimatlichen Alltag in eine Art schwedischer Ferien zu entkommen. Mit der Fähre ging es ins gelobte Land, dort beging man eine Straftat, die für ein paar Wochen Knast reichte. Sinn des Ganzen: freie Kost und Logis in einer Einrichtung, in der es allemal angenehmer war als daheim in der tristen Freiheit und ein Taschengeld gab es obendrein.

Ähnliches schwebt nun fünf betagten Herrschaften in einem Stockholmer Altenheim vor und aus diesem Ansinnen hat Catharina Ingelman-Sundberg die hinreißende Sozialkomödie "Wir fangen gerade erst an" gemacht. Märtha Anderson, entscheidungsfreudige ehemalige Sportlehrerin und mit 79 die jüngste der kleinen Runde, sowie Anna-Greta, Stina und die Herren mit den schönen Spitznamen Snille und Kratze bilden seit geraumer Zeit einen Chor im trostlosen Altenheim "Diamant".

Die neue Heimleitung denkt nur an noch mehr Profit und streicht, wo sie nur kann. Bis hin zum Gebäck zur ohnehin nur noch zweiten Tasse Kaffee und damit die Alten nicht murren, gibt es rote Pillen zum Sedieren. Der Ausbund der Unterdrückung ist Schwester Barbro, die heimlich und mit viel Ehrgeiz mit dem Chef poussiert. Märtha und ihre vier Freunde treffen sich immer wieder beim heimlichen Likör und wollen nicht nur nicht klein beigeben, sie sind überzeugt, dass es einen Platz gibt, wo es ihnen hinsichtlich Essen und Trinken, Freizeitmöglichkeiten und persönlicher Zuwendung besser gehen würde - im bekannt liberalen Strafvollzug Schwedens!

Sie schmieden einen verwegenen Plan für eine Straftat, die gerade groß genug ist, um ins Gefängnis zu kommen. War das schon aufregend und ein wahres Lebenselixier im grauen Alltag, reißen sie nun aus und nisten sich auf Grundlage von Anna-Gretas solide abgesicherter Kreditkarte im Grand Hotel nahe des Königsschlosses ein für den geplanten Coup. Sie genießen nicht nur den Luxus, dank Snilles pfiffigen Erfindergeist gelingt auch das ebenso raffinierte wie dreiste Verbrechen.

Das ist trotzdem ein Fehlschlag, denn die Beute ist unerwartet gering, schließlich soll neben dem Gefängnisaufenthalt auch ein Polster für "nachher" übrig bleiben. Kurz entschlossen denken sich die fünf kauzigen Möchtegern-Verbrecher etwas noch viel Größeres aus - die Entführung zweier berühmter Gemälde aus der bestens gesicherten Nationalgalerie, was trotz einiger Stolperdrähte so grandios gelingt, dass die Polizei vor einem völligen Rätsel steht.

Mit herzerfrischender Chuzpe verstecken die Alten den Renoir und den Monet und schicken ihre Lösegeldforderungen los. Kunterbunt geht nun einiges durcheinander und es wird so verrückt, dass sich die "Seniorengang" sogar erstaunlich schwer tut, endlich als Verbrecher ernst genommen und verhaftet zu werden. Und sie haben bei aller Raffinesse etwas Naheliegendes nicht bedacht: selbstverständlich kommen sie nicht in denselben Knast! Abgesehen davon sind die Haftbedingungen auch sonst nicht ganz so angenehm wie erträumt.

Aber Aufgeben kommt nicht in Frage und kaum wieder wegen guter Führung vorzeitig entlassen, planen sie erst recht für eine erfreuliche Zukunft - mit möglichst guter Geldgrundlage und in einem Land ohne Auslieferungsabkommen. Was nun kommt, bietet noch einmal spannende Kriminalkomödie mit diesen himmlischen Charakteren.

Das ist charmant und ebenso witzig wie unaufgeregt geschrieben. Bei aller Leichtigkeit wird aber auch nicht an Kritik gespart im Umgang mit alten Menschen und das ist ganz und gar nicht beschränkt auf das als sehr sozial bekannte Schweden. Fazit: ein wunderbar warmherziges und geistreiches Lesevergnügen, das einen ganz großen Wunsch offen lässt - diese treffsichere Sozialschnurre muss unbedingt verfilmt werden.

 

# Catharina Ingelman-Sundberg: Wir fangen gerade erst an (aus dem Schwedischen von Stefanie Werner); 414 Seiten, Klappenbroschur; Scherz Verlag, Frankfurt; € 14,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 943 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de