JOCHEN THIES: "DIE BISMARCKS"

Bismarck ist der wohl berühmteste deutsche Politikername und über den Reichsgründer Otto von Bismarck (1815-1898) gibt es ganze Bibliotheken an Biographien und anderen Schriften. Doch die Familie von Bismarck bestand ja nicht nur aus dieser einen, wenngleich herausragenden Persönlichkeit.

Diesem Umstand hat sich nun der Historiker und Publizist Jochen Thies mit seinem Buch "Die Mismarcks. Eine deutsche Dynastie" gewidmet. Natürlich bekommt auch hier der Berühmteste von ihnen einen gebührenden Anteil, der allerdings weitestgehend nichts wirklich Neues offenbart. Doch die aufgezeichneten Stammbäume der Schönhausener Bismarcks, also die Linie des Reichskanzlers, wie auch der Jarchliner Linie, die sich von dessen älterem Bruder Bernhard ableitet, weisen bis ins Mittelalter zurück und zugleich bis in die Gegenwart.

Gänzlich im Schatten der großen historischen Figur des Kanzlers stehend, blieben die teils recht illustren anderen Bismarcks bisher weitgehend unbeachtet von der Geschichtsschreibung. Dabei bietet allein schon die Vita von Ottos Sohn Herbert (1849-1904) filmreifen Stoff, wie Thies in seiner unterhaltsamen Art ausführt. Er hält ihn für einen hochbegabten Politiker, der jedoch trotz einer Karriere bis hin zum Staatssekretär am bewunderten übermächtigen Vater scheitert, als er sich in die falsche Frau verliebt. Diese zehn Jahre ältere Gräfin, noch verheiratete und obendrein katholische große Liebe Herberts grenzt der Alte geradezu erpresserisch aus, was der Sohn nie verwindet.

Aber auch andere Mitglieder der Bismarck-Familie haben interessante Lebensgeschichten zu bieten, allen voran die fünf Enkel des Reichsgründers, die die ganze Dramatik des 20. Jahrhunderts widerspiegeln. Da ist die couragierte Hannah als entschiedene Gegnerin der Nazis, während Enkel Otto immerhin Diplomat in Rom für das Dritte Reich wurde, wogegen Gottfried von Bismarck sogar hoher NSDAP-Funktionär wurde. Noch spektakulärer aber war seine Wandlung zum Widerstandskämpfer, der als Einziger nach dem 20. Juli 1944 einen Freispruch vor dem Volksgerichtshof erreichte - sehr wahrscheinlich auf Hitlers Geheiß, der diesen überragenden und von ihm so hoch verehrten Namen nicht entehrt sehen wollte.

Auch sonst hat Thies, der trotz deutlich erkennbarer Bewunderung für den "Eisernen Kanzler" ein recht differenziertes Bild der Bismarcks offenlegt, eine Menge interessanter Persönlichkeiten und Begebenheiten zu offenbaren. Das reicht bis in die Engagements beider Stammlinien bis ins gegenwärtige Wirken im öffentlichen Leben, das allerdings teils durchaus trivialen Charakter hat wie bei Gunilla von Bismarck oder Stephanie zu Guttenberg-Schönhausen, die eher die Boulevard-Postillen zieren.

Thies kommt das Verdienst zu, die zahlreichen historisch bedeutsamen Aspekte auch der anderen Bismarcks aus der Nichtbeachtung geholt zu haben. Er tut dies ebenso populärwissenschaftlich wie unterhaltsam. Das liest sich gut als fundierte Familienchronik für den interessierten Laien, zugleich mag dieses Werk einen Anstoß für die ein oder andere überfällige rein wissenschaftliche Würdigung der übrigen Mitglieder derer von Bismarck geben.

 

# Jochen Thies: Die Bismarcks. Eine deutsche Dynastie; 429 Seiten, div. Abb.; Piper Verlag, München; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 317 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de