HUGH HOWEY: "SILO"

Schon die Entstehungsgeschichte von Hugh Howeys Zukunftsthriller "Silo" ist ungewöhnlich. Zunächst gab es nur die Eröffnungsgeschichte über Holston, den Sheriff der abgeschlossenen Bunkerwelt. Nachdem der US-Autor sie ins Internet stellte, wurden umgehend Forderungen nach mehr laut, bis ein um die andere Folge entstand und zu einem riesigen Erfolg als in sich geschlossener Roman wurde.

Der liegt jetzt auch in gedruckter Fassung vor und es sei vorweg gesagt: er ist ein außergewöhnliches Lesevergnügen, das sehr schnell eine ungeheure Sogwirkung entfaltet. Schon mit Holston erfährt der Leser über eine hermetisch abgeriegelte Silowelt mit 144 Stockwerken bis tief in die Erde, verbunden durch eine riesige Spiraltreppe. Die Erdoberfläche ist seit unbekannten Zeiten toxisch und absolut lebensfeindlich. Die tausend oder mehr Bewohner des Silos können sich über die Außenlinsen von der tödlichen Ödnis überzeugen.

Es herrschen rigide Regeln in dem hierarchischen System und Zuwiderhandlungen - oder wenn jemand wie Holston den Wunsch nach dem Rausgehen äußert - werden mit der Verurteilung zur "Reinigung" geahndet. Dann wird der Verurteilte in einem Schutzanzug nach draußen geschickt, um mit Wollbündeln die immer wieder verschmutzten Außenkameralinsen zu reinigen. Ein sicheres Todesurteil und niemand ist je zurückgekommen.

Nach Holston wird Juliette Nichol, bisher als clevere Mechanikerin in den technischen Tiefen des Silos eingesetzt, zur Nachfolgerin. Widerwillig verlässt sie ihre familiäre Maschinenwelt, gerät "oben" aber bald schon ins Grübeln über das Gebahren der alles beherrschenden, hermetisch abgeriegelten IT-Abteilung. Was verbergen die Informationstechniker in ihren silbernen Overalls, allen voran deren Chef Bernard, der bald auch nach dem Posten des Mayors strebt und damit nach der totalen Macht im Silo?

Was wunder, dass Juliette alsbald unter fadenscheinigen Anschuldigungen zur Reinigung verurteilt wird, Doch es geschieht Unfassbares, denn Juliette verweigert nicht nur das Reinigen - sie stirbt auch nicht. Stattdessen entdeckt sie draußen ein ungeheuerliches Geheimnis, während ihr Fall im Silo zu einem blutigen Aufstand führt, dem ersten seit über 100 Jahren.

Wie es weitergeht, sei hier nicht erläutert, denn dieser vielschichtige und extrem fesselnde Gesellschaftsroman birgt einfach zu wertvolle Wendungen und Überraschungen, um sie im Vorfeld zu verraten. Das Geschehen wird jedenfalls sehr plausibel vorangetrieben und offenbart bei der Aufdeckung immer neuer Hintergründe einen faszinierenden Ideenreichtum. Machtgier, Manipulationen, Menschlichkeit und unbändiger Überlebenswillen sind die beherrschenden Grundzüge.

Das wahrhaft Außergewöhnliche an diesem Thriller aber ist, dass trotz vieler starker Charaktere und einer hinreißenden Juliette der eigentliche Star des Romans das Silo selbst ist. Hugh Howey hat hier eine ganz eigene Welt geschaffen, die etwas erschreckend Reales an sich hat. Das sei auch ein wichtiger Hinweis für jene Leser, die mit Science-Fiction-Literatur nichts anfangen können: "Silo" mag ein Zukunftsroman sein, doch alles an Technik dort gibt es bereits. Bis auf derartige unterirdische Überlebensfestungen. Fazit: ein grandioser Spannungsroman, den man auch dank seiner klaustrophobischen Atmosphäre und der virtuosen Dramaturgie kaum wieder vergessen wird. Die Filmrechte hat sich im Übrigen bereits Kult-Regisseur Ridley Scott ("Aliens") gesichert.

# Hugh Howey: Silo (aus dem Amerikanischen von Gaby Wurster und Johanna Nickel); 533 Seiten; Piper Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 926 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de