CHASE NOVAK: "BREED"

Unter dem Pseudonym Chase Novak hat US-Erfolgsautor Scott Spencer jetzt einen Thriller der besonderen Art geschrieben. "Breed" (zu Deutsch "Brut") ist hervorragend geschrieben und erinnert deutlich an den Klassiker "Rosemaries Baby", zumal er ebenfalls in einem der wirklich alten Häuser Manhattans und teils auch im Central Park spielt.

Der entscheidende Unterschied aber ist, dass hier kein monströses Kind geboren wird, sondern die Eltern zu Monstern werden. Dabei beginnt es so fein bürgerlich mit Alex Twisden, Mittvierziger von altem New Yorker Bürgeradel und wohlhabender Anwalt, der die ebenso attraktive wie intelligente junge Lektorin Leslie heiratet. Das Eheglück ist groß, nur der ersehnte Erbe will sich nicht einstellen.

Nach endlosen Versuchen begegnen sie schließlich dem Anwaltskollegen Jim Johnson, dessen Ehefrau Jill nach ähnlichen Problemen endlich schwanger ist. Unter großer Geheimnistuerei verrät Johnson eine Adresse in Slowenien und die Twisdens fliegen sofort dorthin. Der angebliche Wunderdoktor mit der hohen Erfolgsquote erweist sich als so furchteinflößend wie dubios und seine Injektionen zur "Fruchtbarkeitsverbesserung" sind brutal und schmerzhaft. Kommentar des Arztes: "Eine Schwangerschaft ist nicht für ängstliche Gemüter."

Die Eheleute werden umgehend von geradezu brachialer Lust erfasst und - der Erfolg stellt sich sogleich ein: Leslie wird Mutter. Nicht einmal sechs Monate dauert es bis zur Geburt, doch die Veränderungen, die beide Eltern auch körperlich in dieser Zeit durchmachen, sind beängstigend. Das beginnt bei übermäßigem Haarwuchs bei Leslie und endet nicht bei Alex' rabiater Gier nach rohem Fleisch.

Die dann geborenen Zwillinge Adam und Alice sind jedoch offenbar gesund und normal. Dass es noch ein drittes Kind, einen schwer missgestalteten Kretin gab, verschweigt man dem glücklichen Paar im Krankenhaus. Und dann macht der Roman einen Sprung um zehn Jahre, wo das Grauen längst jedes subtile Stadium hinter sich gelassen hat. Alex und Leslie arbeiten beide nicht mehr, toben daheim aber immer ungebärdiger ihre animalischen Instinkte aus. Zwar geleiten sie die gut entwickelten Zwillinge täglich in die vornehme Privatschule, nachts jedoch schließen sie sie in ihren Zimmern ein.

Adam, den häufige dubiose Geräusche aus dem verriegelten Keller ohnehin schon beunruhigt haben, spioniert nun seinen Eltern per heimlich platziertem Babyphon nach. Auch wenn er mit seinen zehn Jahren nicht nachvollziehen kann, was die Eltern da allnächtlich treiben, ahnt er nichts Gutes. Liebende Eltern? Oh ja, aber könnte es sein, dass sie ihre Kinder so sehr lieben, dass sie sie zum Fressen gern haben?!

In ihrer Hilflosigkeit flüchten die Zwillinge eines Nachts und auf ihrer Odyssee treffen sie im Central Park nicht nur auf eine Gruppe von Kindern mit einem ähnlichen Schicksal, auf der Jagd nach ihnen verliert Alex Twisden jegliche Beherrschung. Wie sich das rasante Geschehen fortentwickelt und in welch atemberaubende Dramatik das Alles führt, sei hier nicht verraten.

Für Leser, die an Geschichten mit ganz starkem Tobak finsterer Abgründe Gefallen haben, bietet "Breed" ein wahrhaft packendes Lesevergnügen voller Überraschungen, wobei der Horror mit vergleichsweise geringem Blutgemetzel auskommt. Fazit: ein virtuos geschriebener Gruselroman aus der Gegenwart, für sensible und feingeistige Gemüter allerdings extrem ungeeignet.

 

# Chase Novak: Breed (aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt); 350 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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