JOHN O'FARRELL:"DER MANN, DER SEINE FRAU VERGAß"

Was für eine Horrorvorstellung - da sitzt ein Mann in der U-Bahn und plötzlich wird ihm bewusst, dass er nicht mehr weiß, wer er ist. Sein Name, sein Zielbahnhof, nichts. Schließlich schafft er es, in einem Krankenhaus untergebracht zu werden, doch es dauert eine Woche, bis auf Umwegen ein Freund ausfindig gemacht wird, von dem er portionsweise das Wichtigste über sich selbst erfährt.

Damit beginnt "Der Mann, der seine Frau vergaß", der jüngste Roman von John O'Farrell, der unter anderem als Comedy- und Satireautor einen großen Namen in Großbritannien hat. Hier lässt er den Ich-Erzähler, der Jack Vaughan heißt, allmählich ins eigene Leben zurückstolpern. Geschichtslehrer sei er, bringt ihm Freund Gary bei. Er habe zwei Kinder und Ehefrau "Maddy" Madeleine. Die allerdings offenbar nur noch bedingt, denn der Scheidungstermin stehe kurz bevor.

Als Vaughan Maddy erstmals nach der totalen Amnäsie wiedersieht, verliebt er sich sofort - quasi auf den "ersten" Blick! - in die attraktive Rothaarige. Und da kommen winzige Bruchstücke an ausgesprochen schönen Erinnerungen wieder zum Vorschein. Im Nu steht für ihn fest, dass er Maddy und sein altes Familienleben unbedingt zurückerobern muss. Was erwartungsgemäß ein äußerst dornenreiches Unterfangen wird. Zumal seinen vermehrten rosaroten Erinnerungen und sämtlichem Hofieren nicht nur entgegensteht, dass Maddy bereits einen festen Freund hat, mit dem sie auch verreist, sie hält ihm zu Recht allerlei Gründe vor, die die Scheidungsabsichten durchaus berechtigt erscheinen lassen.

Wie war das mit seinen Alkohol-Ausfällen und diesen Phasen von geistiger Abwesenheit, in denen er Maddy kaum noch wahrnahm? Es wird haarig für Vaughan und auch die Scheidung kann er nicht verhindern. Aber - dies ist eine Komödie und eine mit vielen humorvollen Szenen obendrein. So darf man auf ein ganz und gar nicht banales Happyend hoffen und es darf auch immer wieder herzhaft gelacht werden. Dafür sorgt nicht zuletzt Kumpel Gary mit der Neigung zum schenkelklopfenden Humor, der zuweilen an unpassender Stelle zu deftigen Scherzen aufgelegt ist.

Eine herzerfrischende Bettlektüre, die dank nachdenklich stimmender Passagen über das Leben und die Liebe den nötigen Tiefgang erhält und immerhin fragen lässt, ob wir nur die Summe unserer Erinnerungen sind und mit reingewischtem Gedächtnis von da an gänzlich anders leben würden. Fazit: eine geistreiche und ganz und gar nicht oberflächliche Komödie, ebenso zupackend wie subtil spannend geschrieben.

 

# John O'Farell; Der Mann, der seine Frau vergaß (aus dem Englischen von Thomas Mohr); 384 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 17,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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