JESS WALTER: "SCHÖNE RUINEN"

Selten passt die saloppe Charakterisierung eines Romans als "ganz großes Kino" so haargenau wie auf das jüngste Werk von US-Erfolgsautor Jess Walter, denn um Schauspieler, das Filmgeschäft und die Menschen dahinter dreht sich fast alles in "Schöne Ruinen".

Dabei ist die Grundlinie einer hoffnungslosen Liebe über 50 Jahre beinahe kitschig - wäre sie nicht so brillant geschrieben. Alles beginnt mit der schönen aber todkranken Nachwuchs-Schauspielerin Dee Moray, die 1962 die Hofdame der Cleopatra spielt, in dem Monumentalschinken, bei dem sich damals Liz Taylor und Richard Burton unsterblich ineinander verliebten. Was die ohnehin schon chaotischen Filmaufnahmen noch näher an ein finanzielles Desaster zu bringen droht.

Wie sich im Laufe der meisterhaft zwischen den Zeiten hin und her springenden Kapitel herausstellt, kommt Dee dabei eine nicht unerhebliche Rolle zu. An diesem Tag ganz zu Beginn des Romans landet sie mit einem Boot in dem verschlafenen, nur von See aus erreichbaren Porto Vergagna an der ligurischen Küste und dort in der einzigen kleinen Pension, die Pasquale Tursi, ganze 21 Jahre alt, von seinem Vater geerbt hat. Nach seinen Visionen soll aus dem Nest ein richtiger glamouröser Ferienort werden und erste naive Bemühungen hat er bereits unternommen.

Nun aber platzt der erträumte Glamour der großen Welt unerwartet in seine kleine Welt, denn Dee Moray, in die er sich sofort still verliebt, folgen erst der windige PR-Manager Michael Deane und dann auch noch Richard Burton. Der Star kommt natürlich nicht nüchtern und es gibt eine hinreißende Passage mit Pasquale und dem sehr authentischen Burton. Dann jedoch springt das Geschehen in die nahe Vergangenheit und zu Deanes Gegenwart als inzwischen 72-jährigem Film-Produzent. Äußerlich zwar zum Botox-gepäppelten Lustgreis verkommen, dreht er aber noch immer ein ziemlich großes Rad in Hollywood.

Alles hat mit allem zu tun in diesem faszinierend verknüpften Reigen, so auch Deanes frustrierte Produktionsassistentin Claire mit den Qualitätsansprüchen und der über alle Maßen von sich überzeugte Drehbuchautor Shane. Der verbucht einen unschätzbaren Vorteil, als er sein hochkarätiges aber völlig Hollywood-untaugliches Drehbuch bei Deane unterbringen will: er kann leidlich Italienisch sprechen. Damit wird er zum Joker, als nun, nach 50 Jahren, Pasquale in Hollywood auftaucht und mit nie erloschener Sehnsucht nach Dee Moray sucht.

Die ist damals zwar abgereist, ihr vom Filmarzt attestierter Zustand aber war in Wirklichkeit durchaus nicht tödlich. Und immer mehr wird deutlich, welch infames Spiel seinerzeit ablief, als Michael Deane mit einem zynischen PR-Geniestreich die "Cleopatra"-Verfilmung vor dem Untergang rettete. Dazu durfte die hitzige Affäre zwischen Taylor und Burton nicht nur nicht gestört werden, sie musste als skandalträchtige größte aller Hollywood-Romanzen sogar an sämtliche große Glocken gehängt werden.

Mehr jedoch sei hier nicht verraten von diesem virtuos verfassten, tragikomischen "großen Kino" und seinen wunderbar gezeichneten Charakteren, die bis in die Nebenrollen wahrhaft filmreif sind. Nichts wirkt dabei aufgesetzt oder konstruiert, obwohl es bunter Kintopp ist, dabei aber lebensprall, intelligent und herzbewegend geschrieben. Fazit: so fesselnd und betörend kann farbenfrohe Trivialität sein, wenn sie dank grandioser Erzählkunst zu bester Unterhaltungsliteratur wird.

 

# Jess Walter: Schöne Ruinen (aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader); 444 Seiten; Karl Blessing Verlag, München;

€ 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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