DAVID VANN: "DRECK"

Galen ist 22 und lebt noch immer bei seiner Mutter Suzie-Q auf der abgelegenen Walnussplantage in Kalifornien. Diese Mom ist jedoch geradezu pathologisch egozentrisch und bindet den Sohn unerbittlich an sich. Fürs College sei kein Geld da, dabei hält sie ihm selbst Kleinigkeiten vor wie einen der in den 80er Jahren, in denen sich das Ganze abspielt, so beliebten Walkman.

Dass sich der auch sexuell völlig verklemmte junge Mann in abstruse esoterische Fantasien bis hin zu entsprechenden Verhaltensauswüchsen flüchtet, kann kaum verwundern. Doch die Situation verschärft sich in diesem brütenden Sommer zu fürchterlichen Exzessen und davon erzählt David Vanns ebenso grotesker wie packender Roman "Dreck".

Galen ist nicht nur Gefangener in der sehr eigenen strengen Welt der Mutter, er ist momentan regelrecht von Frauen umzingelt und leidet wie ein Hund, fortwährend von ihnen umarmt zu werden. So wie sie sich gegenseitig ständig umarmen, obwohl sie einander voller Abneigung und Verachtung begegnen. Mutters Schwester Helen demütigt die demente Großmutter und neidet der jüngeren Suzie-Q nicht nur das vermeintliche Vermögen sondern auch die einstige Zuwendung des verstorbenen Vaters, der ansonsten ein gewalttätiger Despot war.

Als minderjähriges Luder aber wird Galens Cousine Jennifer zum Katalysator einer fatalen Entwicklung, die zu einem langen Finale führt, das einer griechischen Tragödie tiefster Schwärze gleicht. Die 17-jährige Göre nutzt Galens Unerfahrenheit aus und verführt ihn zu deftigen Sex-Spielchen - die der Autor ebenso drastisch wie lustvoll und zugleich sehr gekonnt beschreibt. Der Funke, den Jennifer da bei dem von ihr eigentlich verachteten Cousin zündet, ist jedoch harmlos gegenüber dem anderen Brand, den die fatale Entdeckung der Spielchen durch Galens Mutter auslöst.

In ihrem Bindungswahn zerstört sie Galens letzte Hoffnung, Freiheit und seinen eigenen Weg zu finden, und droht ihm stattdessen das Gegenteil an - mit dem Wissen um Galens "Vergewaltigung" der minderjährigen Cousine. Es muss an dieser Stelle ungeschildert bleiben, zu welch ungeheuerlichem Drama sich dieser Verfallsprozess steigert, wenn sich diese beiden schicksalhaft aneinander geketteten und schwer gestörten Menschen ein erbarmungsloses Duell liefern.

"Dreck" wühlt ganz real in viel Morast, viel mehr aber noch im monströs ausartenden zwischenmenschlichen Schmutz. Das ist schwere Kost und nichts für Feingeister, jedoch so fesselnd und intensiv mit viel Sinn für seelische Abgründe und was zu ihnen führen kann beschrieben, dass man sich dieser Lektüre bis zuletzt nicht mehr entziehen kann.

 

# David Vann: Dreck (aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow); 297 Seiten; Suhrkamp Verlag, Berlin: 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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