JAMES M. CAIN: "ABSERVIERT"

James M. Cain (1892-1977) gilt als der Schöpfer des legendären Krimi noir, hatte in seinen besten Zeiten Millionenauflagen und wurde in einem Atemzug mit den Kultautoren Chandler und Hammett genannt. Sein letzter Roman aber, lange nach seinem Abstieg in den letzten Lebensjahren verfasst, galt als verschollen.

Erst jetzt entdeckte Lektor Charles Ardai ihn und rekonstruierte aus dem nicht mehr fertig gestellten Manuskript mit den verschiedenen Endungen und vielen Korrekturen Cains ein Fassung, die nun als Meisterwerk von gestern unter dem Titel "Abserviert" vorliegt. Der Roman spielt in den frühen 60er Jahren und Cain lässt autobiographische Elemente wie seinen Wohnort und die chronische Herzkrankheit einer Hauptfigur einfließen.

Außerdem spielen Aspekte aus seinen größten Erfolgen "Wenn der Postmann zweimal klingelt" und "Mildred Pierce" - beide auch sehr erfolgreich verfilmt - eine gewichtige Rolle. Da ist einerseits die attraktive Joan Medford mit einem unansehnlichen aber wohlhabenden Ehemann, die sich rasend in einen charmanten jungen Mann verliebt. Andererseits ist Joan zu Beginn der Geschichte durch den mysteriösen Tod ihres ersten, offenbar nicht sehr netten Ehemannes in so große wirtschaftliche Not geraten, dass sie ihren kleinen Sohn bei der wenig geschätzten Schwägerin unterbringen muss und sich gezwungen sieht, einen als entwürdigend empfundenen Job als leicht geschürzte Kellnerin in der Bar "Garden of Roses" anzunehmen.

Doch wenn Joan hier zur Femme fatale mit besonders dicken Trinkgeldern und schließlich dem neuen älteren Ehemann an ihrer Seite aufsteigt, stellt sie sich als Opfer der Umstände dar. Und das ist eine der Stärken dieses Romans: sie als Ich-Erzählerin dirigiert die Geschichte und das Bild von sich selbst. Ist sie wirklich die kalt berechnende Frau, die auf ihre sexuelle Anziehungskraft setzt? Und warum behandelt sie den heiß begehrten Liebhaber Tom so, wie sie es tut?

Einmal mehr kehrt Cain die Kräfteverhältnisse der Geschlechter um, wo die Frau die Starke ist. Gleichwohl - hat sie tatsächlich gleich drei Männern den Tod gebracht und das womöglich sogar vorsätzlich? Jedenfalls bleibt sich der Meister des lakonischen und oft harten Krimis in seinem schnörkellosen, zuweilen gar rüden sarkastischen Stil, treu, wenn er die dunklen Seiten des Leben nicht beschönigt. Dazu passt dann auch das herbe Finale mit einigen überraschenden Facetten.

Im Übrigen rundet ein Nachwort Ardais das hohe Lesevergnügen mit der spannenden Geschichte dieser posthumen Veröffentlichung ab. Und mag manches auch irgendwie altmodisch erscheinen - es war einst genau dieser Stil des Krimi noir, der vor allem in den 40er und 50er Jahren nicht ohne Grund Millionen Leser faszinierte.

 

# James M. Cain: Abserviert (aus dem Amerikanischen von Gunter Blank); 351 Seiten; Metrolit Verlag, Berlin; 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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