DAVE EGGERS: "EIN HOLOGRAMM FÜR DEN KÖNIG"

Das Wohlwollen eines leibhaftigen Königs soll Alan Clay vor dem Untergang retten, dabei erinnert dieser einst recht erfolgreiche Geschäftsmann an Willi Loman, Arthur Millers Symbolfigur des Niedergangs aus dem "Tod eines Handlungsreisenden", nur ins 21. Jahrhundert versetzt. Und in eine globalisierte Welt, an der er selbst eine Zeit lang intensiv teilhatte.

Nun aber schickt ihn der amerikanische Kultautor Dave Eggers auf eine ebenso hoffnungsvolle wie unwirkliche Mission nach Saudi Arabien. "Ein Hologramm für den König" lautet der Titel und für eben solch ein hochmodernes Kommunikationssystem soll Clay den König des superreichen Wüstenreichs begeistern. Es soll die Krönung der grandiosen künstlichen Stadt werden, die derzeit als King-Abdullah-Economic-City - kurz KAEC genannt - in der Wüste entsteht.

Als Clay mit seinem jungen dreiköpfigen IT-Team jedoch zu der Baustelle kommt, stehen dort gerade mal ein paar Bauruinen, ein Büroturm und das große Zelt, in dem die Amerikaner ihr Telefonieren per Hologramm demonstrieren sollen. Doch wie das entsprechende virtuell schwebende 3D-Bild, das mangels konstanter WLAN-Stärke nur mühsam zustande kommt, bleibt auch der dringend erwartete König eine Fata Morgana.

Alan Clay aber erlebt das Warten auf die Begegnung in einer seltsamen Warteschleife, die wie der Schauplatz in der Wüstenei intensiv an Samuel Becketts "Warten auf Godot" erinnert mit dem König als unzuverlässigem Godot. Immer wieder reflektiert Clay über sein Leben, über die in den Sand gesetzten Geschäftsideen, die gescheiterte Ehe und das verdrehte Verhältnis zu seiner Tochter, deren Studium er nicht mehr bezahlen kann angesichts all der angehäuften Schulden und des irgendwie unverkäuflichen Hauses.

Dieser Geschäftserfolg in der exotischen Fremde, der so greifbar erscheint, weil diese neue Computertechnologie so einzigartig ist, würde ihn mit einem Schlag von allen Sorgen befreien. Ja, er würde für ihn als abgehalfterten Mittfünziger sogar die späte Erfüllung des amerikanischen Traums von Wohlstand und Glück bedeuten. Während er in der Wartezeit den Taxifahrer Youssef und mit ihm auch ein wenig von der Lebenswirklichkeit dieses so rätselhaften Landes kennen lernt, versagt er selbst bei zwei hoffnungsvollen Flirtversuchen.

Und die Bemühungen, die Aufmerksamkeit des Königs zu gewinnen und ihn gar zur Demonstration der großartigen Technologie zu locken, bekommen eine geradezu kafkaeske Vergeblichkeit. So wird Alan Clays Geschichte eine von alltäglichen und zugleich exemplarischen Verlusten eines Mannes, der einfach nicht mehr zeitgemäß ist. In einem unwirklich erscheinenden Land, in dem zugesagte Termine ebenso ungewiss sind, wie niemand Regeln einhält, und das so gänzlich unverständlich ist, muss ein solchermaßen Ausrangierter erst recht scheitern.

Das ist eine Geschichte ganz aus dem Heute, in der nicht viel passiert und die doch nie langweilt. Die Prosa ist klar und unprätentiös und begeistert zuweilen mit Szenen von realsatirischer Komik. Fazit: wenn ein Autor einen derartig gegenwärtigen Roman so souverän mit Vorbildern wie Arthur Miller, Beckett und Kafka zu unterfüttern versteht, dann sorgt das für ein Lesevergnügen auf ganz hohem Niveau.

 

# Dave Eggers: Ein Hologramm für den König (aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann); 351 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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