ELISABETH ZÖLLER: "WIR TANZEN NICHT NACH FÜHRERS PFEIFE"

Viel zu wenig weiß die Nachwelt von jenen jugendlichen Widerständlern zur Nazi-Zeit, die sich Edelweißpiraten oder Navajos nannten. Um so verdienstvoller ist Elisabeth Zöllers Bruch "Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife". Das ist weder ein reißerischer Schmöker noch trockene Geschichtsschreibung sondern das, was der Untertitel verspricht: "Ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten."

Schon Ende der 30er Jahre gab es die ersten Jugendlichen, die sich dem Anpassen und dem Drill der allgegenwärtigen Hitler-Jugend entzogen und stattdessen unangepasst gaben. Zumeist waren es Arbeiterkinder und neben Gruppen im Ruhrgebiet war Köln das Hauptgebiet mit insgesamt einigen tausend Jungen und Mädchen zwischen 12 und 18. Standen anfangs nur das ungebärdige Benehmen und so manche Prügelei mit den verhassten HJlern, nahmen die Akte des Aufbegehrens so zu, dass man zunehmend von echten Widerstandsakten reden musste.

Die Autorin stützt sich bei ihrem hochspannenden Roman auf authentische Aufzeichnungen und historische Studien. Vor allem aber die Autobiographie des erst kürzlich verstorbenen echten Edelweißpiraten Fritz Theilen wurde zur Hauptgrundlage und der Bastian Frei im Roman ist ihm stark nachempfunden. Längst hatten die Nazis beschlossen, hart durchzugreifen, denn das Verteilen von Flugblättern im Hauptbahnhof, Sabotageakte und die Unterstützung von Deserteuren und Juden sind für den Geschmack von Gestapo und SS längst weit über das Treiben "asozialen Packs" hinausgewachsen.

Bastian, Ralle, Billie, Zack und Franzi sind einige der Piraten - die im Übrigen stets in unzusammenhängenden Grüppchen und nur unter Spitznamne agieren - und im Frühjahr 1943, während die alliierten Bomberflotten fast allnächtlich ihre tödliche Fracht über dem bereits schwer zerstörten Köln abwerfen, stößt noch Paul zu ihnen. Der junge Halbjude, dessen Vater gerade deportiert worden ist, sucht sein Heil in der Ruinenstadt und hat zusätzliches Glück, als er durch Zufall zu den Piraten stößt, denn bald erhält er sogar falsche Papiere, die ihn als Sohn eines umgekommenen NS-Bonzen tarnen.

Zwischen ihm und Bastian kommt es allerdings zu Spannungen, weil er ihm das Mädchen ausspannt. Doch für derartig Privates lassen die immer heftigeren Widerstandsaktionen wie auch das zunehmend schärfere Durchgreifen der Gestapo wenig Raum. Jetzt ab Mai 1943 sind Misshandlungen, Folter und sogar der Tod reale Gefahren für jeden, der bei Akten von "Wehrkraftzersetzung" erwischt wird. Und Oberkommissar Ziegen, der rabiateste Scherge, lauert ihnen auf, als sie erneut einen Zug überfallen, um Lebensmittel zu klauen. Ihr Freund Zack wird dabei erschossen.

Während einerseits auch das Grauen der Bombennächte, in denen Bastian als Hilfsfeuerwehrmann Entsetzliches miterleben muss, unter die Haut geht, wird andererseits auch die Brutalität nicht ausgespart, die die Jugendlichen durchleiden, wenn sie in Gestapo-Haft geraten. So auch Bastian, als er als Schlosserlehrling, der er eigentlich ist, mit seinem erwachsenen Kollegen bei Sabotageakten an Ford-Lkw auffliegt. Nicht lange kann er entfliehen und dann will die Gestapo ein Exempel statuieren, um die Edelweißpiraten endgültig abzuschrecken.

Und sie hat tatsächlich stattgefunden, diese öffentliche Hinrichtung ohne jedes Gerichtsverfahren am 10. November 1943, als die Nazis 13 Widerständler, unter ihnen fünf Jugendliche, in der Hüttenstraße in Köln-Ehrenfeld aufhingen. Auch Bastian hätte dabei sein sollen, doch sein Schutzengel heißt Paul. In einem Akt unerträglicher Wut sorgte er mit seiner Pistole dafür, dass Gestapo-Mann Ziegen sich dieses Racheaktes nicht mehr erfreuen konnte. Seinem Freund eröffnete das einsetzende Chaos die Möglichkeit zur Flucht, die er nach abenteuerlichen Strapazen - wie der echte Fritz Theilen - bis zum Kriegsende überlebte.

Das Alles ist authentisch und zu Unrecht kaum bekannt - und über lange Zeit wurde das Treiben der Edelweißpiraten sogar als kriminell und asozial diffamiert. Doch es waren spätestens seit 1942 Akte des Widerstands und der Geist, der dahinter steckte, wird hier markant dargestellt samt moralischer Bedenken, die es bei manchen der Jugendlichen gab. Das Alles hat Elisabeth Zöller packend dargestellt und das ist nicht nur für junge Leser ab etwa 14 Jahren eine ebenso fesselnde wie wichtige Lektüre.

 

# Elisabeth Zöller: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife. Ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten; 351 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 16,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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