ROBERT GOOLRICK: "EIN WILDES HERZ"

Als wär's einer dieser dunklen schicksalhaften Hollywood-Filme aus den späten 40er Jahren, so kommt Robert Goolricks neuer Roman "Ein wildes Herz" erst langsam in Fahrt, um dann jedoch wie eine führerlos gewordene Dampflokomotive auf einen Abgrund zuzurasen. Tatsächlich spielt diese Geschichte, die laut Angabe des Autors auf einer wahren Begebenheit beruht, 1948 im hinterwäldlerischen Städtchen Brownsburg, Virginia.

In diese Kleinstadtidylle, wo Gottesfurcht, Prüderie und eine klare Rassentrennung für eine spießig geprägte Atmosphäre sorgen, kommt in jenem Sommer der 39-jährige Charlie Beale. Er sieht gut aus, schläft erstmal im Freien auf seinem Pick-up. Er sieht sich selbst als Realisten, dem das Leben "jede Poesie ausgetrieben hat". Allerdings bleiben die Vergangenheit wie auch die Herkunft des Geldes in dem einen seiner beiden Koffer weitgehend ungeklärt, was ihm bis zuletzt einen Anstrich des Mysteriösen lässt.

Sein zweiter Koffer birgt eine Sammlung feinster Fleischermesser. Bald kauft er ein Stück Land und beginnt beim einzigen örtlichen Metzger Will Haislett zu arbeiten. Es dauert nicht lange, bis die sonst eher eigenbrötlerischen Einwohner den stets freundlichen Neuling im Laden mögen. Ein sehr inniges Verhältnis aber entwickelt sich zwischen Beale und dem fünfjährigen Sam, dem Sohn seines Chefs, der "Beebo" im Nu liebt wie einen zweiten Vater. Die Beschaulichkeit endet für den fleißigen und so höflichen Metzger jedoch, als Sylvan Glass im Laden erscheint und sich ihre Blicke treffen.

Der 20-jährigen Schönen mit den grünen Augen, der blonden Mähne und der auffallenden Kleidung verfällt er sofort rettungslos. Was fatale Folgen haben soll, denn sie ist nicht nur mit Harrison "Boaty" Glass verheiratet, sie ist sein Eigentum. Der fette, ungehobelte Mittfünfziger ist der reichste Mann weit und breit und er hat sich das Mädchen vor drei Jahren im Sinne des Wortes gekauft. Die Passage, wie er sie dem bettelarmen Vater samt seiner Farm für 3.000 Dollar abhandelt, gehört zu den virtuosesten Passagen dieses ohnehin zwar langsam aber dennoch mitreißend erzählten Romans.

Sylvan hat sich in eigene Welt geträumt, seit Boaty sie erstmals mit ins Kino nahm. Sie lässt sich unentwegt neue Filmkostüme schneidern und lebt quasi in den Rollen der Stars. Gleichwohl lässt sie sich schnell auf eine wahre Amour fou mit Beale ein. Der verliert dabei jedoch nicht nur sein Herz sondern vor allem auch den Verstand. Und er benutzt den arglosen kleinen Sam als Alibi für seine heimlichen Treffen mit Sylvan.

Der Junge versteht zwar noch nicht, was der geliebte große Freund und die seltsame Frau da hörbar in dem Liebesnest treiben, doch seine "Komplizenschaft" soll noch tragische Folgen haben. Mehr noch aber entwickelt der Liebeswahn seine zerstörerische Kraft für Beale, der ganze Häuser für seine Geliebte kauft und sie heimlich zur wohlhabenden Frau machte. Trotzdem kann er sie nicht für sich gewinnen, denn sie kann ihren widerlichen Ehemann wegen der geheimen Bedingungen jenes Kaufvertrages nicht verlassen. Und Boaty ahnt längst Böses.

Wie das Verhängnis nun seinen gewaltigen Lauf nimmt, soll hier nicht verraten werden, doch das ist großes Gefühlskino mit wahrhaft dramatischen Wendungen und niemand sollte ein Happy End erwarten. Trotzdem bietet dieser im besten Sinne altmodisch aber souverän erzählte Roman ein exzellentes Lesevergnügen.

 

# Robert Goolrick: Ein wildes Herz (aus dem Amerikanischen von Judith Schwaab); 348 Seiten; btb Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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