PHILIP NORMAN: "MICK JAGGER. DIE BIOGRAPHIE"

Seit 50 Jahren gibt es die Rolling Stones und es hat sich längst herauskristallisiert, dass die als größte Rockband aller Zeiten apostrophierte Gruppe in erster Linie dank des charismatischen Frontmannes Mick Jagger selbst heute noch existiert und ganze Stadien füllt. Viel ist über die Stones und auch Jagger geschrieben worden, dennoch fehlte bis dato eine umfassende Biographie über den mittlerweile 69-jährigen Sir Mick.

Jetzt aber liegt sie vor unter dem schlichten Titel "Mick Jagger. Die Biographie" und sie zu schreiben, dazu eignete sich niemand besser als Philip Norman. Der englische Jounralist verfasste bereits hervorragende Bücher über die Beatles und die Rolling Stones als Bands und zuletzt die grandiose Solo-Biographie zu John Lennon. Norman ist ein absoluter Insider der Musikszene und wie beim Beatles-Gründer kann er auch bei Jagger aus persönlicher Kennerschaft schöpfen.

Sexsymbol, Chauvinist, Bürgerschreck und Satansverehrer - vieles hing man dem Sänger und Songschreiber der Band an, manches war berechtigt, manches ein Irrtum oder gar ein PR-Gag. So stammt der vermeintliche Rebell mit der in den frühen Jahren schmuddeligen Rüpel-Attitüde aus sogenannten ordentlichen bürgerlichen Verhältnissen und der Lehrersohn galt als Schüler sogar als schüchtern. Ein irgendwie geartetes Kindheitstrauma als Triebfeder für Jaggers späteren Werdegang sucht man vergebens und auch die Aufgabe des Wirtschaftsstudiums zugunsten der Musik war nicht wirklich aufrührerisch.

Es war die geniale Idee des verrückten Managers Andrew Loog Oldham, die Rolling Stones als Gegenentwurf zu den eher braven und ziemlich angepassten Beatles aufzubauen. Wobei die detaillierten Ausführungen Normans noch einmal betonen, wie gut die beiden rivalisierenden Bands sich hinter den Kulissen verstanden. Dabei gärte es aber umso mehr im Bandgefüge zwischen dem Führungstrio von Jagger, Keith Richards und dem erratischen Bandgründer Brian Jones.

Es liest sich höchst spannend, wie sich Mick zum Führer emporkämpfte, aber auch wie bis heute das musikalisch so fruchtbare Verhältnis zwischen Richards und Jagger eher einer symbiotischen Hassliebe ähnelt und mit Freundschaft nur recht begrenzt zu tun hatte. Dazu gehört allerdings auch die sexuelle Umtriebigkeit aller Beteiligten, wobei die jeweiligen Partnerinnen der Anderen insbesondere für den faunhaften Jagger nie tabu waren. Geradezu romanhaft aber auch teils verwirrend lesen sich die Ausführungen über die längerwährenden Beziehungen zu Chrissie Shrimpton und Marianne Faithfull, doch auch die bunte Reihe der Gespielinnen bis hin zu den Ehefrauen Bianca Jagger und Jerry Hall ist absolut filmreif.

Überdies man erfährt nicht nur hierüber so manche weniger bekannte Details, vor allem ist der überaus geschäftstüchtige Narziss derjenige, der die Band zusammenhält und das als geltungssüchtiger Kontrollfreak bis auf den heutigen Tag. Im Gegensatz zum düsteren Richards hielt sich Jagger auch früh fern von Drogen, wie er ohnehin als erstaunlich bürgerlich dargestellt wird. Da war die faszinierend detailliert beschriebene Katastrophe von 1967 ein nachhaltiger Schock, als er und seine Kompagnons nach der von FBI und MI 5 abgekarteten Redland-Affäre (Drogenrazzia in Keith' Villa) tatsächlich nach überzogenen Gerichtsurteilen vorübergehend ins Gefängnis mussten.

Gleichwohl ätzte der ebenso wohlerzogene wie gebildete Jagger nie gegen das Establishment und sein Song "Sympathy for the Devil" war zwar genial, taugte aber nicht wirklich zur medialen Hochstilisierung des Autors zum Antichristen. Zudem beschreibt Norman ihn als vorsichtigen Taktierer, der zwar ganz wesentlich von Geilheit und Gier geprägt und dabei knauserig wie ein Schotte ist, zugleich aber als eine der größten "Ein-Mann-Shows" der Musikgeschichte stets alles cool und clever im Griff hat. Deutlich wird jedoch ebenso, dass man diesen chamäleonhaften Megastar nicht unbedingt zum Freund haben möchte (schon gar nicht, wenn man eine attraktive Partnerin hat!) - seine sieben Kinder allerdings lieben ihren so familienuntauglichen Vater angeblich abgöttisch.

Fazit: eine großartige Biographie über eine wahrhaft schillernde Persönlichkeit, die einerseits von viel Insiderwissen und andererseits von wohltuender Sachlichkeit geprägt ist und sich moralischer Bewertungen enthält. Das liest sich sehr lebendig und beleuchtet zugleich eine ganze Epoche der Musikszene, wobei die Hochzeit der Rolling Stones von der Gründung vor 50 Jahren bis etwa 1980 den breitesten Raum einnimmt.

 

# Philip Norman: Mick Jagger. Die Biographie (aus dem Englischen von Gabriele Gockel, Sonja Schumacher und Maria Zybak); 720 Seiten, div. Abb.; Droemer Verlag, München; € 24,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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