ALASTAIR BRUCE" DIE WAND DER ZEIT"

"Es regnet hier seit zehn Jahren." Mit diesem wenig verheißungsvollen Satz beginnt Alastair Bruce seinen Debütroman "Die Wand der Zeit". Tatsächlich bleibt es düster für den Ich-Erzähler Bran, der auf einer kleinen äußerst kargen Insel lebt und die Tage seiner Verbannung zählt, indem er täglich einen Strich in die titelgebende Felswand ritzt.

Mit eindringlicher Stimme, doch fern jeden Selbstmitleides berichtet Bran von seinem Dahinvegetieren auf diesem Eiland, das wegen des Dauerregens kaum Nahrung oder Brennholz entstehen lässt und allmählich zu zerfallen droht. Vom Hinauszögern des absehbaren Untergangs bereits apathisch geworden, ist ihm auch jener angeschwemmte bewusstlose Mann eher Bedrohung seiner kargen Vorräte als Trost im Alleinsein.

Doch dann stellt sich heraus, dass dieser fett gewordene Kerl Andalus ist, Brans einstiger Gegenspieler, als der noch in seinem kleinen Reich der herrschende Marschall war und gegen die Folgen der Apokalypse ankämpfte. Damals hatte er große Schuld auf sich geladen, damit sein Volk angesichts schwindender Resourcen überleben konnte. Mit harter Hand sorgte er dafür, dass alle Arbeitsunfähigen sich umbrachten oder eliminiert wurden, damit die Übrigen überleben konnten.

Nun treiben ihn die Gespenster der Vergangenheit um und diese Verzweiflung auf dem schrumpfenden unfreiwlligen Exil treibt ihn zurück in die alte Heimat. Doch es gibt nicht nur keine Vergebung und keine Sühne - niemand will sich an ihn erinnern. Mag er auch für ihr Überleben und ihr jetziges Wohlergehen verantwortlich gewesen sein, so verweigern sich die Nutznießer seines moralischen Sündenfalls der kollektiven Verantwortung und verdrängen, was einst gewesen ist.

Es ist schließlich Bran allein, der sich der schweren Schuld stellt, die er auf sich lud, indem er Menschen als Mittel für einen hehren Zweck opferte. Das Alles hat etwas Bleiernes in seiner Düsternis, ist jedoch dank der menschlichen wie auch philosophischen Tiefe des Geschehens und der souveränen Sprache mit ihren starken athmosphärischen Momenten ein erhabenes Stück Literatur, das zuweilen in seiner Sprödigkeit an Bruces Landsmann J.M. Coetzee erinnert.

 

# Alastair Bruce: Die Wand der Zeit (aus dem Englischen von Malte Krutzsch); 253 Seiten; Antje Kunstmann Verlag, München: € 18,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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