HUNTER DAVIES (Hrsg.): "THE JOHN LENNON LETTERS"

Seit er schreiben konnte, hat John Lennon (1940-1980) immer sehr viel geschrieben. Manche hinterlassene Briefe des Beatles-Gründers, Superstars und Friedensaktivisten haben nach seiner Ermordung bei Auktionen hohe Preise erzielt. Hunter Davies aber hat nun ein ganzes Kompendium herausgebracht, das von Briefen und Postkarten über Notizen und Skizzen bis hin zu Einkaufslisten als Hausmann in New York reicht.

"The John Lennon Letters. Erinnerungen in Briefen" ist das großvolumige Sammelwerk betitelt, wobei hier eben nicht nur Briefe erfasst sind. Der Journalist Davies war seit Mitte der 60er Jahre ein Begleiter und Freund der Beatles und hier insbesondere von Lennon. Für dieses Buch hat er gut 30 Jahre lang recherchiert und jedes nur erdenkliche Stück Niedergeschriebenes samt allerlei Hingekritzeltem und den allgegenwärtigen Zeichnungen gesammelt.

Während von Cynthia, Ehefrau Nummer 1, nur noch wenige schriftliche Erzeugnisse zu erhalten waren, fehlen Briefe an Yoko Ono gänzlich. Der schlichte Grund: die Beiden waren entweder ständig zusammen oder aber telefonierten bis zu 20 Mal täglich. Doch Yoko war eine großzügige Witwe und stellte alle Schriftstücke, die sich in ihrer Hand befanden, zur Verfügung. Wie sehr sie die Arbeit von Davies, der ja auch Autor der einzigen autorisierten Biographie der Beatles war, schätzte, bekundet sie in ihrem kleinen Vorwort: "Hunter, das hast du gut gemacht."

Die hier vorliegende Sammlung hat etwas sehr Biographisches und zeigt Lennon sehr privat, sehr persönlich und sie bietet manch überraschende Erlenntnisse über diesen höchst emotionalen und zugleich hoch intelligenten Künstler. Die über 300 Fundstücke, die neben diversen Fotos zum großen Teil abgelichtet sind, eröffnen tiefe Einblicke in seinen Charakter, seinen mal skurrilen, mal beißenden Humor, aber auch in die Leidenschaftlichkeit dieses überaus spontanen Kreativen.

Die Funde reichen vom veilchenfarbenen Weihnachtsbrief an Tante Harriet von 1951 bis zum letzten Schriftstück aus seiner Hand, einem Autogramm einschließlich der obligatorischen Zeichnung für die Telefonistin Ribeah, entstanden keine halbe Stunde vor seiner Ermordung am 8. Dezember 1980. Schon in Kindertagen schrieb und skizzierte er ständig alles Mögliche bis hin zu einer kleinen Kunstzeitung (Auflage: ein Exemplar). Wer hätte gedacht, dass der scharfzüngige Intellektuelle ein großer Weihnachtskartenschreiber war und die von ihm geschriebenen Postkarten müssen zahllos gewesen sein.

Zu den Überraschungen in dieser Fundgrube gehören wohl selbst für eingefleischte Fans die glühenden Liebesbriefe an Cynthia, Lennons erste große Liebe in den Anfangszeiten der Beatles. Diese Verbindung war demnach entgegen dem immer wieder vermittelten Eindruck nicht die als eher beiläufig durch die ungeplante Geburt von Sohn Julian (1963) entstandene Ehe - John Lennon als der elternlos von Tante Mimi aufgezogene junge Mann, der sich nach Liebe und Geborgenheit sehnte.

Da überrascht die Kontaktaufnahme zum Vater dann noch mehr, wenn man diese Briefe liest, die so ganz ohne Groll sind. Immerhin hatte der unstete und in der Familie verfemte Freddie Lennon die Familie verlassen, als der Junge fünf Jahre alt war, und er hatte sich seither nicht mehr gemeldet. Nun aber unterstützte John seinen alten Herrn wie selbstverständlich finanziell, einschließlich dessen Leben mit der erst 19 Jahre alten späteren Ehefrau Pauline. Groll bis hin zur Hassliebe offenbart dagegen ein Brief an Partner Paul McCartney aus der Zeit der heftigen Streitigkeiten nach dem Ende der Beatles.

Penibel chronologisch hat Hunter Davies all die Schriftstücke geordnet und er macht aus diesem auch von Layout und Gesamtgestaltung her großartigen Buch einen wahren Schatz als biographisches Werk mit seinen Begleit- und Fundgeschichten sowie den Hintergrundinformationen aus persönlicher Kenntnis. Davies zeigt Lennon in vielen wenig bekannten und oft sehr privaten Facetten in einem sehr menschlichen Licht. Fazit: dieses Buch ist ein grandiose Hommage an John Lennon und zeichnet ein neues, konturenreicheres Bild von ihm als einzigartigen Menschen und Künstler.

 

# Hunter Davies (Hrsg.): The John Lennon Letters. Erinnerungen in Briefen (aus dem Englischen von Werner Roller und Helmut Dierlamm); 414 Seiten, div. Abb., Mittelformat; Piper Verlag, München;

€ 39,99

Alternativ: Faksimile-Ausgabe, Leinenband im platinweißen Schuber; € 128

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: NF 267 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de