DIRK BRAUNS: "IM INNEREN DES LANDES"

Es beginnt mit einer Polizeimeldung, nach der ein Ingo Kern, 53, in seinem Haus überfallen wurde. Dabei sei auch ein Schuss gefallen, doch weder Kern noch der unbekannte Angreifer wurden vorgefunden.

Damit eröffnet Dirk Brauns seinen Debütroman "Im Inneren des Landes", der nun die 24 Stunden vor dem Schuss in zeitversetzten Passagen erzählt. Vielmehr erzählen lässt, denn in gekonnter Weise lässt der Autor Kern wie auch Stefan Brenner, den Gegenspieler, abwechselnd zu Worte kommen.

Beider Lebenswege hatten sich 1988 gekreuzt, als Brenner seinen Grundwehrdienst in der Kaserne von Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern absolvieren musste und Kern ein nicht nur strammer NVA-Hauptmann war, sondern die Soldaten mal offen, mal heimtückisch subtil triezte und erniedrigte. Die Wende haben Beide gut verkraftet und beruflichen Erfolg geschafft, Brenner als Controller für Autohäuser, Kern als Personalberater bei der Deutschen Bahn - die seinerzeit bewiesenen Führungsqualitäten zahlten sich eben aus.

Privat steckt Kern jedoch in der Krise, denn er ist gerade dabei, Frau und Kinder für eine jüngere Kollegin zu verlassen. Brenner dagegen treibt ein viel tiefer sitzendes Problem um, aus jener Zeit in Eggesin. Gewissensbisse und das Verlangen nach Vergeltung bohren in ihm, denn er ist mit der Verlobten seines besten Freundes verheiratet, der damals in der Kaserne Selbstmord beging. Kern war das Scheusal, das ihn mit zynischen Schikanen dazu gebracht hatte, weil dieser Viktor hinter dessen Machenschaften gekommen war.

Über Jahre hat Brenner das verdrängen können, doch nun schickt man ihn als Ost-Kenner ausgerechnet mit einem Auftrag in eben dieses Eggesin und alles bricht für ihn auf. Jetzt will er Kern zur Verantwortung ziehen, auch wenn er keinen recht Plan dafür hat. Damit aber taucht der Leser tief ein in die Leben dieser beiden so extrem verschiedenen Männer, erfährt von prägenden Erlebnissen. Und wie sie einander begegnen.

Aus ihren völlig verschiedenen Sichtweisen werden die entscheidenden Ereignisse Stück für Stück aufgerollt und Begebenheiten am Rande geben dem Ganzen eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Dieses todernste Spiel von Schuld und Sühne fesselt dank seiner dichten Atmosphäre und der souveränen Sprachkraft bis zur letzten Seite und beleuchtet eine Vergangenheit, die vielen noch recht real in Erinnerung sein dürfte. Fazit: ein rundum gelungener deutsch-deutscher Roman.

# Dirk Brauns: Im Inneren des Landes; 224 Seiten; Galiani Verlag, Berlin; € 16,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)