MICHAEL FRAYN: "WILLKOMMEN AUF SKIOS"

Eine Verwechslungskomödie als Roman erzählt, geht das? Michael Frayn schafft das mit "Willkommen auf Skios" auf ebenso geistreiche wie zwerchfellerschütternde Weise und was dem höchst angesehenen britischen Autor einst mit der längst zum Klassiker gewordenen Theaterfarce "Noises off" gelang, überzeugt hier mit viel respektloser Ironie nun auch in Buchform.

Schauplatz ist die sommerliche griechische Insel Skios, auf der die viel jüngere Witwe des US-Milliardärs Fred Toppler eine mondäne kulturelle Einrichtung errichtet hat. Höhepunkt im Wirken dieser Fred-Toppler-Stiftung ist das alljährliche Fest, zu dem jeweils ein weltweit renommierter Redner eingeladen wird. Hinzu kommen dann Scharen hochmögender Gäste bis hin zu russischen Oligarchen und eines gilt für alle Teilnehmer gleichermaßen: sie sind durchweg sehr, sehr reich.

Entsprechend angespannt ist Nikki Hook, die adrette, dezent gebräunte und dezent blonde Personal Assistant von Mrs. Fred Toppler, denn dieses Großereignis bedarf perfekter Vorbereitung. Und nun, am Vortag, steht sie am Flughafen, um Gastredner Dr. Norman Wilfred abzuholen. Der englische Wissenschaftler will seine große Abhandlung über Scientometrie vortragen. Der genervte ältere Herr, der so gern auf Spesen reist, wird jedoch zum Opfer einer Verwechslung, denn mit ihm landet zugleich Oliver Fox, deutlich jünger und mit dem Ziel, sich hier mit einer Art Zufallsgeliebten für ein paar Tage in einer idyllischen Villa zu amüsieren.

Als der charmante Frauenfreund und Herumtreiber jedoch Nikki Hook mit dem Namensschild für Dr. Wilfred erblickt, ergreift er nicht nur den falschen Koffer sondern auch kurzum die Gelegenheit beim Schopf, sich von ihr als der Gesuchte abschleppen zu lassen. Zu seinen größten Talenten gehört dabei die Fähigkeit, so elegant auf Fragen zu reagieren, dass er meist sogar ohne Lügen auskommt, um einen falschen Eindruck zu erwecken oder eben eine Persönlichkeit vorzugaukeln. Er kann dem Drang einfach nicht widerstehen, obwohl ihn der Drahtseilakt selbst zunehmend grausen lässt.

Ohne dass er es ahnt, ist inzwischen auch seine Verabredung Georgie auf Skios und in der abseits gelegenen Villa angelangt und sie hält Verbindung zur alten Schulfreundin Nikki, jedenfalls so lange es der schwächelnde Akkus des Handys es zulässt. Auf dem Flughafen aber ärgert sich Dr. Wilfrded wahnsinnig, weil sein Koffer verschwunden ist. Doch immerhin holt ihn nach einigem Hin und Her der Englisch nur radebrechende Taxifahrer ab - einer der Zwillingsbrüder, die die einzigen Taxen hier besitzen. Durch das Missverständnis gelangt der verkopfte Wissenschaftler so nicht nur ohne Koffer in das falsche Domizil, dort reagiert auch die empörte Georgie heftig und es beginnt eine regelrechte Odyssee der Unerfreulichkieiten für ihn.

Derweil erobert Spontanhochstapler Fox als hinreißend eloquenter Dr. Wilfred die Köpfe und Herzen der VIPs im Stiftungszentrum und es kommt zu allerlei spezielle Begegnungen. Und schließlich trifft auch noch die Freundin Olivers auf Skios ein, die, der das Liebesnest gehört, in dem sich Georgie und der echte Dr. Wilfred immer wieder in den Haaren liegen. Bevor es endlich nach immer neuen Lügen und Verwechslungen zu einem ebenso rasanten wie aberwitzigen Showdown kommt.

Das Alles gerät zu einer herzhaften Farce mit herrlichen Slapstick-Szenen, intelligenten Wortklaubereien und so manchem Seitenhieb auf das überkandidelte Stiftungswesen mit all seinen narzisstischen Wichtigtuern, die sich so gern und zuweilen auch verblüffend leicht von Titeln und brillantem Geschwafel blenden lassen. Fazit: eine souverän verfasste Komödie voller Esprit, die exzellent übersetzt worden ist und im Übrigen unbedingt verfilmt gehört.

 

# Michael Frayn: Willkommen auf Skios (aus dem Englischen von Anette Grube); 285 seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 17,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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