MATTHEW QUIRK: "DIE 500"

Mike Ford hat sich mit Intelligenz und viel Cleverness aus seiner kriminellen Jugend so ehrgeizig herausgekämpft, dass er jetzt sogar die Harvard Law School besuchen kann. Nebenher schuftet er als Barkepper, um die massiven Schulden abzuarbeiten, die ihm die Studiengebühren und die Rechnungen für die Behandlung seiner an Krebs gestorbenen Mutter beschert haben.

Mit seinen Lebenserfahrungen aus einer unrühmlichen Vergangenheit als Einbrecher und und Trickbetrüger - und damit ganz in den Fußstapfen seines Vaters, der seit Jahren im Knast sitzt - ist er ein Außenseiter unter den sonst so feinen Harvard-Studenten. Doch gerade seine Art mit dem Sinn fürs praktische Leben fällt seinem Dozenten Henry Davies auf, der ihn nun als Junior Associate in seine angesehene Beraterfirma holt. Anscheinend ein wahres Glückslos für den knapp 30-Jährigen, denn bei höchsten Anforderungen an die Leistungen wird ein ebensolches Einkommen samt weiteren Aufstiegschancen geboten.

Davies aber hat Mike nicht aus Nächstenliebe engagiert, vielmehr ist er ein wahrer Haifisch unter den Strippenziehern in Washington DC, der mit seinen so speziellen Methoden die einflussreichsten unter den 500 Mächtigsten in der US-Hauptstadt für seine Zwecke gefügig zu machen versteht. Und "Die 500" heißt auch der Titel des Debütromans von Matthwe Qurik, der dabei als investigativer Journalist in Sachen Organisiertes Verbrechen und Terrorismus eine Menge Erfahrungen einbringt, die durch seine profunden Washington-Kennerschaft um so authentischer sind.

Das spezielle Geschäftsmodell von Mikes sphinxhaftem Arbeitgeber ist es, von jedem VIP die Leichen im Keller zu kennen, um ihn sich gefügig zu machen und seinen Einfluss zu nutzen. Natürlich nennt man es Empfehlung und nicht Erpressung, um zum Beispiel einen Entscheidungsträger für eine Lücke im Handelsrecht sorgen zu lassen - zugunsten eines anderen Klienten aus der höheren Wirtschaft. Dabei wird skurpellos auf der Klaviatur von Gier, Idealismus, Ego und Repression gespielt.

Mike hat dank Erfahrung und Chuzpe aus der grauen Vergangenheit bald erste Erfolge und auch die Annäherung an die faszinierende Kollegin Annie entwickelt sich positiv, nicht zuletzt mit dezenter Förderung seines Bosses. Dem der Ich-Erzähler auch zustimmt, dass jeder Mensch seinen Preis hat - doch wo liegen seine eigenen Grenzen? An die stößt er nämlich recht bald und er muss verbittert erkennen, dass die krakenhafte Lobby-Firma eine regelrechte Geheimorganisation oder gar eine Art Schattenregierung im mächtigsten Land der Welt ist, die ebenso aggressiv wie zynisch bei Bedarf auch über Leichen geht.

Spätestens, als er dann bei einem schwergewichtigen Fall in höchst kriminelle Machenschaften stolpert und plötzlich vom Boss zurückgepfiffen wird, weil das angeblich eine Nummer zu groß für ihn ist, wird ihm klar, dass er offensichtlich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Dennoch kann er die Finger nicht von diesem Fall lassen, der ihn mehr als nur den großartigen Aufstieg kosten kann.

Doch so wie ihn Davies und dessen Partner Marcus, ein knallharter Ex-CIA-Mann, immer wieder unterschätzen, rutscht Mike selbst immer tiefer in deren Verstrickungen. Bis er schließlich sogar unter Mordverdacht gerät und gleich aus mehreren Richtungen um mehr als nur seine Freiheit fürchten muss. Und es schimmert durch, dass dieser brennend heiße Fall offenbar seinen Chef und Gönner selbst betrifft.

Ob es Mikes Kenntnisse als Einbrecher sind - die er dem Leser genüsslich ausbreitet - oder die cleveren Betrüger-Tricks, die er vom Vater gelernt hat, er lässt nichts aus auf seiner Achterbahnfahrt voller Fallen, Verrat, Täuschungen und brutaler Gewalt. Das steuert auf ein atemberaubendes Finale der ganz harten Sorte zu, wenn Mike vollends zwischen sämtlichen Fronten zermalmt zu werden droht. Und auf welcher Seite steht bei all dem die geliebte Annie?!

Fintenreich und voller Überaschungen und Wendungen packt dieser hochmoderne rasante Thriller bis zur letzten Seite und wenn der Navy-gestählte Held auch so manche harte Blessur abbekommt, so reicht es immer wieder zu manchem Sarkasmus, mit dem er seine Misere schildert. Das ist clever geschrieben und zudem eröffnet es einen schonungslosen Blick auf so manche realistisch dargestellte Schattenseiten von Korruption und Machenschaften unter den hier so lässig wie zynisch enttarnten Mächtigen an den Schalthebeln Washingtons.

Nicht zu Unrecht wird auf dem Cover auf John Grishams "Die Firma" verwiesen - Matthew Quirk folgt seinem Vorbild gekonnt und lässt die Kriminellen die Guten sein, denn die Ehrbaren sind es gewiss nicht. Fazit: ein spitzenmäßiges Debüt für das Genre und selbstverständlich sind die Filmrechte bereits verkauft.

 

# Matthew Quirk: Die 500 (aus dem Amerikanischen von Wolfgang Müller); 416 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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