PAUL AUSTER: "SUNSET PARK"

Vor sieben Jahren hat sich Miles Heller aus New York abgesetzt und derzeit schlägt er sich in Florida mit dem Job eines Hausentrümplers durch. Fortgetrieben hat ihn der quälende Gedanke, durch sein aufbrausendes Verhalten den Unfalltod seines jüngeren Halbbruders verursacht zu haben. Weder sein Vater, ein angesehener Verleger, noch seine Stiefmutter wissen etwas von seiner Schuld - er hat ihnen nichts erzählt, sondern sich kommentarlos abgesetzt.

Ein kleines Glück hat der jetzt 28-Jährige in der noch minderjährigen Pilar gefunden. Sie kommen zueinander, als sie beide im Park "Der große Gatsby" lesen. Ihr Liebesleben ist etwas seltsam, doch es ist eher die Gefahr von strafrechtlichen Folgen wegen ihres Alters, die ihn dann doch wieder nach New York zurücktreibt. Damit beginnt Paul Austers neuer Roman "Sunset Park". Das ist ein heruntergekommener Gebäudekomplex in Brooklyn, in dem sein alter Kumpel Bing mit zwei Künstlerinnen als Hausbesetzer lebt.

Die Mitbewohner von Jazzmusiker Bing sind die Malerin Ellen, die sich in erotischen Fantasien ausbreitet, sowie Alice, ein Kino-Freak, der an seiner Doktorarbeit schreibt. Miles passt zu ihnen als ehemaliger Literaturstudent, der sich in seiner spartanischen Zeit seit dem Weggehen als einzigen Luxus Bücher geleistet hat. Doch Sunset Park liegt nicht nur gleich neben einem Friedhof, es dient auch so als Metapher für die Flucht vor den Erinnerungen, und die spielen in diesem nachdenklichen Roman mit seiner dunklen Färbung eine zentrale Rolle.

Das Alles spielt im Jahr 2008 und obwohl die vier Hauptprotagonisten vom fernen Krieg der USA in Asien oder von der hereinbrechenden Finanzkrise kaum direkt betroffen sind, stehen sie gleichwohl für ihre junge Generation, die in eine Ära der wirtschaftlichen wie auch der psychologischen Unsicherheit hineingleitet und mit einer fast lethargischen Verzweiflung reagiert.

Mag Auster diesmal weniger als gewohnt seine Virtuosität als Meister der realistischen Zufälle des Lebens ausspielen, sorgt er doch für ein starkes Finale. Aber auch so fesselt diese Geschichte mit ihrem kein bisschen sensationsheischenden Geschehen dank der dramaturgischen wie auch stilistischen Souveränität. Fazit: vielleicht nicht Austers bestes Werk, dennoch ein anspruchsvolles Lesevergnügen vor ernstem Hintergrund.

 

# Paul Auster: Sunset Park (aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz); 315 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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