TANA FRENCH: "SCHATTENSTILL"

Auch in ihrem vierten Kirmi überzeugt Tana French mit hoher psychologischer Finesse und versteht es, die Spannung subtil aber unaufhörlich anzuziehen. Wer es lieber mit intensiver lebensnaher Ermittlungsarbeit zu tun hat als mit Sensationseffekten, wird bei "Schattenstill" auf bestem Niveau bedient.

Mit drei Toten und einer Schwerverletzten steigert die irische Erfolgsautorin zwar diesmal den Blutzoll deutlich, der Roman setzt jedoch erst nach der Bluttat ein. Zwei erstickte Kinder, deren toter Vater und die lebensgefährlich verletzte Mutter werden in einem Einfamilienhaus in der Neubausiedlung Brianstown an der Küste gefunden. Viele dieser modernen aber billig hingeklotzten Eigenheime stehen mittlerweile leer, denn in Irland ist die Wirtschaftskrise voll durchgeschlagen.

Gerade in solchen künstlichen Außenorten für die Mittelständler aus Dublin hat es viele durch plötzliche Arbeitslosigkeit und Preisverfall der Immobilien hart getroffen. Typische Familien wie auch Jennifer und Pat Spain, das offenbar von einem unbekannten Eindringling attackierte Paar. Für den hartgesottenen, erfolgsgewohnten Detective Mike "Rocky" Kennedy ist Brianstown kein unbekannter Ort, denn lange vor der kürzlichen Scheinblüte war er als Kind häufig in den Ferien hier, als das Kaff noch Broken Harbour hieß.

Die Erinnerungen des Ich-Erzählers sind allerdings düster, denn just hier hat sich seine Mutter das Leben genommen. Das prägt die Gedankenwelt des als harter Hund bekannten Ermittlers spürbar, zumal man ihm mit Richie Curran auch noch einen unerfahrenen Neuling als Partner zur Seite stellt. Die Ermittlungen in dieser weitgehend zur Geisterstadt entvölkerten Siedlung gestalten sich sperrig und sind dennoch überraschend schnell von Erfolg gekrönt.

Die Beiden stöbern das Versteck eines Unbekannten auf, der ein offenbar überspanntes Interesse am Familienleben der Spains hatte. Als sie diesen verstörten jungen Mann festnehmen, finden sich nicht nur bald Indizien, die gegen ihn sprechen, dieser Conor legt auch ein Geständnis ab. Kennedy ist dann jedoch gar nicht erfreut, dass Frischling Curran meint, Zweifel anmelden zu müssen. Zu vieles scheint ihm - und schließlich auch Kennedy - zu zweifelhaft an den Tatumständen.

Und am Tatort selbst, denn was hat es zum Beispiel mit den vielen Löchern in den Wänden und einer Tierfalle auf dem Dachboden auf sich? Gab es mehr als nur wirtschaftliche Probleme in der Familie durch die Arbeitslosigkeit Pat Spains? Immer weiter führen die Ermittlungen in menschliche Nöte und die Autorin dreht bei aller Liebe zum Detail und starken Bildern der rauen irischen Landschaft gekonnt an der Spannungsschraube.

Bis zum ebenso überraschenden wie glaubhaften Abschluss fesselt diese tiefgründige anspruchsvolle Geschichte, die zudem sehr intensiv und mit großem Sprachgefühl (ein Lob für die hervorragende Übersetzung!) ausgebreitet wird. Fazit: ein Edel-Krimi im besten Sinne des Wortes.

 

# Tana French: Schattenstill (aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann); 729 Seiten; Scherz Verlag, Frankfurt; € 16,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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