BEVERLY JENSEN: "DIE HUMMERNSCHWESTERN"

Beverly Jensen (1953-2003) hat den großen Erfolg ihres einzigen Romans "Die Hummernschwestern" nicht mehr erlebt, da sie noch vor der abschließenden Überarbeitung an Krebs verstarb. Ihre Short Stories wuden gerühmt und auch dieser Roman ist aus solchen Kurzgeschichten entstanden. Die sind hier jedoch zu einem Ganzen geworden, denn sie erzählen das Leben der Schwestern Idella und Avis Hillocks über 71 Jahre.

Alles beginnt 1916, als die siebenjährige Idella sehr unmittelbar miterlebt, wie ihre Mutter bei der Geburt des vierten Kindes, der kleinen Emma, im Kindbett stirbt. Dieser Schicksalsschlag wirft nicht nur den ohnehin grantigen und zum Trinken neigenden Vater aus der Bahn, die Mädchen müssen nun für einige Zeit fort aus der schönen aber kargen, rauen Küstenlandschaft im kanadischen New Brunswick.

Bei kinderreichen Verwandten geht es der ausgleichenden Idella und der eigensinnigen jüngeren Avis für ein paar Jahre recht gut. Doch dann ruft der Vater sie nach einem Unfall zurück, damit sie ihn pflegen. Der jähzornige Alte, den die lebenslange harte Arbeit auf der Kartoffelfarm und der Kummer fertig gemacht haben, hat den älteren Bruder bereits vergrämt. Doch nun flüchtet bald auch Idella, um in den USA ein eigenes Auskommen zu finden. In Boston gelingt ihr das und die groß gewachsene hagere Frau wird sogar von dem gut aussehenden Eddie Jensen geheiratet.

Viel Glück ist ihr jedoch nicht beschieden, denn Eddie erweist sich als labiler Schürzenjäger, aber die ungleich attraktivere Avis hat noch viel weniger privates Glück und gerät wie der Vater ans Trinken. Eine Konstante aber bleibt in all den Jahren: die ungleichen Schwestern halten stets Verbindung und eines Tages sind sie sogar wieder in ihrer Heimat vereinigt und ein altes Familiengeheimnis kommt endlich zur Sprache.

Das Alles fesselt durch seinen intensiven Realismus, mit dem hier Lebensgeschichten mit Höhen und Tiefen erzählt werden, die kein bisschen sensationsheischend sind. Und sie überzeugen gerade deshalb, weil hier keine schön erfundenen Archetypen im Mittelpunkt stehen sondern echte Menschen. Was allerdings nicht so sehr verwundert, wenn man den richtigen Schluss aus dem Namen Eddie Jensen zieht: Idella war die Mutter der Autorin und Avis ihre Tante.

Geschrieben hat Beverly Jensen diese so lebensechten Geschichten von 1986 bis zu ihrem Tod. Daraus entstanden ist ein Roman, der authentisch wirkt, aber auch durch zu seine atmosphärische Sprach- und Erzählkunst zu einem Lesevergnügen wird.

 

# Beverly Jensen: Die Hummerschwestern (aus dem Emarikanischen von Beate Brammertz); 479 Seiten; btb Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NEIMANN (wan/JULIUS)

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