MONICA ALI: "DIE GLÄSERNE FRAU"

Drei typische amerikanische Frauen in den besten Jahren sitzen bei Pinot Grigio und warten auf die vierte im Bunde, die brünette attraktive Lydia. Der Ort ist die Kleinstadt Kensington in den USA, ganz so, wie man sich die eben vorstellt. Nur: die da noch fehlt, birgt ein unglaubliches Geheimnis, das sie eisern hütet.

Sie ist "Die gläserne Frau", so nämlich lautet der Titel von Monica Alis neuem Roman. Die preisgekrönte britische Autorin hat damit eine verwegene Geschichte nach dem Prinzip des Was-wäre-wenn vorgelegt, denn hinter der Titelfigur verbirgt sich der Superstar schlechthin, die meistfotografierte Frau der Welt: Prinzessin Diana, auch Prinzessin der Herzen genannt. Hier aber - so die kühne Annahme - fiel sie nicht 1997 einem Verkehrsunfall zum Opfer sondern machte auf raffinierte Weise ihrem gejagten Leben ein Ende.

Beim morgendlichen Schwimmen im Meer ertrunken, womöglich von Haien gefressen, ebenfalls in jenem Sommer 1997. Untergetaucht, einige chirurgische Eingriffe an Nase und Lippen, lange dunkle Haare, eine neue Identität als aus England heimgekehrte geschiedene Frau. Zielort Kensington aus nostalgischen Gründen, einglebt in das beschaulich-spießige Kleinstadtleben samt Hund und nettem attraktivem Lover und selbst die anfangs getragenen braunen Augenlinsen hat sie abgelegt.

Nach dem High Life als Ikone der Öffentlichkeit und Liebling der Medien nun Jobben im Tierheim, Tratsch und Hausarbeit und legerer Schlabberlook statt Haute Couture - schwer zu glauben, doch erstens war das ständige Gejagtwerden unerträglich geworden und zweitens ist dies ein Roman. Und nachdem wir in einem starkem Briefwechsel zwischen ihr und ihrem hingebungsvollen ehemaligen Privatsekretär Lawrence, dem einzigen Vertrauten und Helfer beim Untertauchen, tief in die Seelengründe der Princess of Wales schauen durften, passiert, was nie hätte passieren dürfen.

Auch John Grabowski, einer der zähesten und skrupellosesten Paparazzi, der Diana über Jahre mit immer neuen Ideen und oft genug erfolgreich mit seinen Kameras verfolgt hatte, reizt der so altehrwürdige Name Kensington, als er frustriert für eine Fotostory über das US Suburban Life unterwegs ist. Als ihm Lydia vors Objektiv läuft, ist er elektrisiert: mag sie auch ihr Aussehen verändert haben, er hat ihre Bewegungen und ihre Körperhaltung viel zu lange intensiv beobachtet. Vor allem aber - diese weltberühmten ultramarinblauen Augen sind unvergleichlich!

Damit beginnt ein thrillerähnliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Lydia und Grabowski, denn natürlich hat auch sie den unverschämten Jäger der schlimmen Jahre sofort wiedererkannt. Für ihn ist es die Chance seines Lebens, für sie die Katastrophe, der Preis ist also hoch. Das steuert auf ein ebenso hitziges wie überraschendes Finale zu - mehr sei hier nicht verraten.

Immerhin nennt Monica Ali für ihre beeindruckende Charakterzeichnung der Lydia als wesentliche Grundlage Tina Browns vielgerühmte Diana-Biographie, so dass diese gehetzte Frau durchaus nicht nur als das von geliebten Menschen verratene Hascherl dargestellt wird, denn sie war ja ebenso eine gewiefte Manipulatorin und Schauspielerin.

Hätte die sonst so versierte Autorin diese Widersprüche und die Beweggründe für das Abtauchen - trotz der beiden geliebten Söhne - mit ihren schriftstellerischen Fähigkeitenn intensiver ausgeleuchtet und die gesamte Geschichte etwas plausibler gestaltet, wäre vermutlich ein Stück großer Literatur daraus geworden, so aber ist "Die gläserne Frau" nicht mehr als ein spannender Unterhaltungsroman (aber auch nicht weniger!) und selbstverständlich voll tauglich als Vorlage für eine garantiert erfolgreiche Verfilmung.

 

# Monica Ali: Die gläserne Frau (aus dem Englischen von Anette Grube); 381 Seiten; Droemer Verlag, München; 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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