TILMAN BIRR: "ON SE LEFT YOU SEE SE SIEGESSÄULE"

Tilman Birr kennt man als Poetry Slammer und Kabarettisten, nun aber legt er seinen ersten Roman vor. Doch schon der Titel lässt stutzen, denn "On se left you see se Siegessäule" klingt verdächtig und der Untertitel schürt gleichfalls Zweifel: "Erlebnisse eines Stadtbilderklärers". Womöglich ist das gar kein Roman und der junge Mann war lediglich klamm und hat einfach nur auf Schnelle einen Sommerjob gesucht.

Englisch und Labern und einen Schnellkurs in Berliner Stadtgeschichte, mit dem Rüstzeug stieg er also für Monate auf die typischen Sightseeing-Schiffe, die sich auf den vielen Wasserstraßen der Hauptstadt bestens eignen, um dieselbe zumindest flüchtig kennen zu lernen. Und was er hier als Ich-Erzähler so von sich gibt, das klingt eher nach Eigenbericht.

Wie er an den Job kommt, wie er seine ersten, teils nervtötenden Erfahrungen macht, aber auch ganz schnell die nötige Chuzpe für trinkgeldfördernde Fahrten erlernt, das wirkt sehr wie Realsatire. Stadtführer darf er sich nicht nennen, zumal der wahre Führer an dieser Wirkungsstätte immer wieder von großem Interesse ist - vor allem nach abstrusen Fragen wie der nach Hitlers angeblich fehlendem einen Hoden und dessen Auswirkungen auf die Weltgeschichte. "Stadtbilderklärer" heißt der Job deshalb und als solcher stürzt sich Tilman Birr also in die Niederungen der Tourismusbranche.

Den Job zu kriegen war gar nicht schwer, aber das Publikum von Bajuwaren, die nicht Deutsch sprechen, über die üblen Herrentagssäufer oder himmelschreiend verbildete Amis bis hin zu anhänglichen Einzelgängern, denen man dann schon mal ein paar schrille Einzelerlebnisse angedeihen lässt, um so mehr. Manche Fragen sind einfach so, dass nur Dreistigkeit hilft wie bei der nach Bundespräsident Horst Tappert oder warum eine Brücke nach Martin Semmelrogge benannt sein sollte.

Da vergeigt der Stadtbilderklärer auch schon mal jede Trinkgeldchance, weil er die Schnösel von einem fränkischen "Gennasium" erstmal einnorden muss. Und er lernt eine wichtige Lektion, denn manche Touris sind verdammt "unentspannt", also - abbrechen und einfach mal die Schnauze halten. Im Übrigen gilt es, nur die Wahrheit zu erzählen, und wenn man sie erfinden muss. Dann versteht man auch die Vorwarnung: "Dieses Buch erhebt keinen Faktizitätsanspruch."

Den ganzen Spaß des herrlich respektlos und locker-flockig Erzählten versteht im Übrigen am besten, wer selbst schon einmal solch einen Bootstrip mitgemacht hat. Alles kommt jedenfalls ziemlich souverän rüber und da diese Anekdotensammlung auch Birrs neues Kabarettprogramm ist, werden die Lachmuskel munter und zuweilen recht deftig gekitzelt. Im Übrigen weiß man ja: Berlin ist immer eine Reise wert.

# Tilman Birr: On se left you see se Siegessäule; 303 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 16,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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