UTZ CLAASSEN: "ATOMBLUT"

2011: Fukushima, die Bundesregierung beschließt Atomausstieg und Energiewende. Doch es gibt Drahtzieher, die diese Wende nur zu ihren Bedingungen zulassen. Oder gar nicht und Ethik oder Skrupel spielen dabei nicht ernsthaft eine Rolle.

Das ist die Ausgangslage für "Atomblut", einen sehr speziellen Wirtschaftskrimi, in dem die Zahl der Todesopfer klein ist, ganz im Gegensatz zu den gigantischen Summen, um die es hier geht, und bei denen Recht und Moral nicht mehr die Regeln bestimmen sondern die globalen Spieler in den obersten Stockwerken der Konzernzentralen. Wer in diesem Fall jedoch an der Wirklichkeitsnähe zweifelt, wird umdenken, wenn er den Namen des Autors hört: Utz Claassen.

Dieser einstige Überflieger der deutschen Wirtschaft war selbst jahrelang Chef eines der deutschen Energiekonzerne und er bringt so viel Insiderwissen mit, dass man sogar eine Abrechnung mit der Branche vermuten darf. Wie autobiografisch diese so rasant aufgebaute Geschichte sein könnte, lässt schon die Hauptfigur Fabienne Felsenstein erahnen. Diese dem Autor so ähnliche blitzgescheite Managerin mit dem Ruf eines Sanierungsmonsters wird von ihrem Mentor Kohlmeier quasi handstreichartig an die Spitze der RuhrSTROM-AG befördert.

Diese zuweilen in ihrem globalen Einfluss unterschätzte graue Eminenz der deutschen Wirtschaft braucht eine wie sie, um das Unternehmen für den Atomausstieg fit zu machen. Doch Fabienne funktioniert nicht ganz so wie die Chargen in den Vorstandsetagen, denn sie hat Grundsätze von Wahrheit und Wahrhaftigkeit - und nun sitzt sie zumindest an einigen Hebeln der Macht. Parallel dazu laufen gut vernetzte Gegner der Energiekonzerne zu Hochform auf, die Medien müssen gepflegt werden und Internet-Mobbing kommt auch noch hinzu.

Mit einiger Verwunderung erfährt der Leser von hammermäßigen Ränkespielen der Wirtschaftslenker, für die Geld nicht wirklich wichtig ist. Allerdings dient es als Maßstab, wo die Hahnenkämpfe und Befindlichkeiten einiger Weniger Sachlichkeit, Anstand und tatsächliches wirtschaftliches Handeln ersetzen und die reale Energiewende in Wirklichkeit eher eine Mogelpackung ist. Dass dabei auch mal jemand mehr als nur seinen hohen Posten einbüßt, gehört offenbar zu den Kollateralschäden im Global Game. Und stets sei daran erinnert: das Alles hat dank dieses Autors eine hohe Realitätsnähe.

Das ist zynisch und nicht zuletzt deshalb ein atemberaubendes Lesevergnügen. Das mag literarisch trotz der interessanten Stilwechsel noch nicht ganz ausgereift sein, doch der Autor hat wahrlich etwas zu erzählen und das tut er beeindruckend kühl und abgeklärt.

 

# Utz Claassen: Atomblut; 381 Seiten, Klappenbroschur; Econ Verlag, Berlin; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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