R.M. DOUGLAS: "ORDNUNGSGEMÄßE ÜBERFÜHRUNG"

Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zwieten WEltkrieg ist bis heute ein umstrittenes Thema, das noch immer für heftige Diskussionen hier wie auch mit den seinerzeit tätig gewordenen Ländern sorgt. Um so wertvoller ist ein neues Sachbuch zu diesem Komplex, denn es bezieht sein hohes Maß an Objekltivität und Glaubwürdigkeit aus der Person des Autors R. M. Douglas, einem irischen Geschichtsprofessors, und noch mehr aus seiner Art der Quellenarbeit.

"Ordnungsgemäße Überführung. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg" lautet der Titel und Douglas, der an der Colgate University in Hamilton, New York, lehrt, bietet einen unschätzbaren Vorteil gegenüber den zahlreichen kontroversen Büchern zum Thema, denn er verzichtet auf Zeugenaussagen der deutschen Opfer, um Einseitigkeit zu vermeiden. Sofern er überhaupt deutsche Quellen verwendet, sind diese durch andere Zeugnisse in ihrem Wahrheitsgehalt bestätigt.

Im wesentlichen konzentriert sich der Historiker auf Überlieferungen aus dem Archiv des Internationalen Roten Kreuzes, Beobachtungen westlicher Diplomaten, Offiziere und Journalisten sowie auf die Akten der ausweisenden Staaten - hier hauptsächlich Polen und die Tschechoslowakei, wo der Bevölkerungsanteil der Sudentendeutschen 1930 immerhin über 23 Prozent ausmachte.

Douglas lässt keinen Zweifel daran, dass die vertriebenen Ostpreußen, Schlesier und Sudentendeutschen für Hitlers Massenmorde, den Holocaust sowie für das brutale Besatzungsregime und die Politik der verbrannten Erde bezahlen mussten. Doch es gab auch das Benes-Dekret und die Alliierten gestanden der tschechoslowakischen Exilregierung bereits 1943 zu, die Deutschen nach dem Krieg aus dem Lande vertreiben zu dürfen.

Douglas zitiert hier auch Kriegs-Premier Winston Chruchill, der 1944 die Vertreibung als "das befriedigendste und dauerhafteste Mittel" zur Lösung von Konflikten mit nationalen Minderheiten bezeichnete.

Weder bei den Siegermächten noch in den Vertreiberländern existierten jedoch logistische Pläne für eine solche millionenfache Zwangsumsiedlung im kriegszerstörten Europa. Entsprechend ungeregelt waren die bei Kriegsende ausbrechenden Exzesse blinder Rache bei den monatelangen "wilden Vertreibungen". Der Autor stellt allerdings klar, dass diese nicht durch einen ungezügelten Volksmob erfolgten sondern staatlich geförderte Gewalt durch tschechoslowakische und polnische Soldaten, Polizisten und Milizen war.

Die sachlich gehaltenen Schilderungen lassen das Entsetzen ahnen, zumal in etlichen Fällen soeben befreite KZ-Insassen nun die Rollen tauschten und wenn dann zum Beispiel am Lagereingang in Linzervorstadt die alttestamentarischen Worte "Auge um Auge - Zahn um Zahn" standen, gingen die dort inhaftierten Deutschen durch eine den KZs sehr ähnliche Hölle.

"Geordnet und human" sollten die dann endlich offiziell organisierten Umsiedlungen erfolgen, doch die Siegermächte versagten derartig an der schier unmöglichen Aufgabe, rund zwölf Millionen entwurzelte und traumatisierte Menschen in das zerbombte Deutschland umzusiedeln, dass sie ab Mitte 1946 versuchten, aus der humanitären Katastrophe auszusteigen und die weitere Regelung den Deutschen selbst zu überlassen.

Gerade der Verzicht des Autors auf die deutschen Opferaussagen ermöglicht ihm hier anhand des intensiven Faktenstudiums in aller wissenschaftlicher Schärfe ein vernichtendes Urteil über das nicht nur moralische Versagen der Alliierten auszusprechen. Fazit: diese fundierte objektive Aufarbeitung des heiklen Themas ist brillant gelungen und sollte zur Versachlichung der noch immer herrschenden Kontroversen dienen. Zugleich muss diese umfassende Schilderung der größten ethnischen Säuberungsaktion der Geschichte dazu mahnen, solche zutiefst menschenverachtenden Mittel der Politik auf alle Zeiten zu ächten und zu unterbinden.

 

# R.M. Douglas: Ordnungsgemäße Überführung. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg (aus dem Englischen von Martin Richter); 556 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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