FRANZOBEL: "WAS DIE MÄNNER SO TREIBEN, WENN DIE FRAUEN IM BADEZIMMER SIND"

Wenn einer Hildebrand Kilgus heißt, mit Spitznamen Hildy, und wenn dieser sehr mäßig attraktive 40-Jährige in Sumpfing, einem oberösterreichischen Provinzkaff aufgewachsen ist und nach allerlei Schlingerfahrten durchs Leben jetzt in einem Studenhotel hockt und seiner Mama eine Lebensbeichte auf Tonbänder spricht, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder ist das völlig bekloppt oder der Autor heißt Franzobel.

Und tatsächlich hat der österreichische Avantgardist mal wieder seiner so herzhaft provokanten Fantasie freien Lauf gelassen und die ufert schräg und hinreißend aus in einem aberwitzigen Schelmenroman mit dem sinnigen Titel "Was Männer so treiben, wenn die Frauen im Badezimmer sind". Obwohl es nicht wirklich das ist, was Hildy seiner Mama offenbart, wenngleich er sie schon arg mit manch Schrägem bis hin zu Pornografie und Blasphemie zulabert.

Dieser Tölpel ist schwer beladen mit einer dumpf dörflichen Kindheit bis hin zu Misshandlung und Missbrauch, wobei der versoffene Erzeuger als Gastwirt sogar den Anfang gemacht hat. Womit dann auch Hildys Gefühlsarmut und Panik gegenüber Berührungen erklärlich wird. Auf der Suche nach Gefühlen oder etwas Vergleichabrem entwickelt Hildy ein absonderliches Hobby, das Sammeln von Stöhngeräuschen als wahrem Klang des Lebens. Dafür ergreift er dann auch die passenden Berufe wie Puffvater, Sargträger, Sterbegleiter im Hospiz oder als Geburtshelfer im Kreißsaal.

Schließlich bringt er sogar höchst persönliche Opfer, indem die wuchtbrummige Dame Bayreuth ehelicht. Die gebärt ihm zwar den schönen Heinrich, der etwa so aussieht wie eine Mischung aus Kim Yong-il und William Shatner vom Raumschiff Enterprise, aber - ausgerechnet sie stöhnt nicht! Und ein frustrierter ehebrecherischer Ausflug zur grazilen Almut verläuft diesbezüglich auch eher enttäuschend.

Als der tumbe Stöhnforscher schließlich zum Mitarbeiter einer dubiosen Wetterforschungsfirma wird und als solcher in Rom sein seltsames Unwesen treibt, hebt dieser skurrile Roman endgültig in andere Sphären ab und Hildy erwächst sogar zu einer Art modernem Heiligen Franz von Assisi, der mit den Vögel spricht. Dabei bleibt das krause Geschehen voller Pointen, ungehemmt kauzig und zuweilen deftig bis "borneografisch". Und atheitische Geistesklimmzüge gehören beim genussvollen Provokateur Franzobel ohnehin dazu.

Irgendwie kommt das ganz schön zynisch bis bitter-böse satirisch daher und eines steht fest: dieser ebenso abgedrehte wie blitzgescheite Roman stößt entweder auf entschiedene Ablehnung oder hingebungsvolle Begeisterung. Da scheint es geradezu konsequent, dass die im Titel versteckte Frage unbeantwortet bleibt und allenfalls Hildys große römische Erkenntnis bleibt: "Frauen sind wie das Wetter, unberechenbar."

 

# Franzobel: Was die Männer so treiben, wenn die Frauen im Badezimmer sind; 509 Seiten; Paul Zsolnay Verlag, Wien; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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