MARIS PUTNINS: "DIE WILDEN PIROGGENPIRATEN"

Wer nach dem verrücktesten Kinderbuch des Jahres sucht, der ist bei "Die wilden Piroggenpiraten" genau richtig. Der Untertitel deutet bereits an, wie kauzig und zugleich spannend es dabei wohl zugehen mag: "Ein tollkühnes Abenteuer um eine entführte Mohnschnecke und ihre furchtlosen Retter".

Geschrieben hat den dicken Wälzer der lettische Allroundkünstler Maris Putnins und der sprudelt nur so über vor Fantasie. Das fängt schon beim Personal und dem Drumherum an, denn das entspringt durchweg dem Bereich des Backens und Kochens. Da braucht man schon das Glossar am Ende des Buches, um all die Piroggen, Kuchenstückchen und auch Käsesorten überhaupt einordnen zu können, aber - das lohnt auf jeden Fall!

Im Mittelpunkt steht Mohnschnecke Eloise, die verwöhnte und sehr eigenwillige Tochter von Meister Mohnstrudel und seiner Frau, einer Wiener Mohnpotitze. In sie hat sich Vaters Mitarbeiter Eclair (= Liebesknochen!) verliebt, doch der arrogante Jüngling Hörnchen macht ihr ebenfalls den Hof. Mit fatalem Erfolg, denn sie lässt sich zu einer Fahrt auf seiner Yacht einladen. Prompt werden sie von den wilden Piroggenpiraten unter dem einbeinigen Kapitän Mordan gekapert.

Hörnchen wird über Bord geworfen, Mohnschnecke aber gefangen genommen. Was nun beginnt, ist eine haarsträubende Rettungsaktion, nachdem sich Hörnchen mühsam retten konnte. Zum Helden schwingt sich jedoch vor allem Eclair auf und Hilfe erhält er vom Mini-Pelmen Otto, der ohnehin gern Pirat werden wollte. Derweil erfahren die Piroggenpiraten, warum es in Seefahrerkreisen schon immer hieß, dass Frauen an Bord Unglück bringen, denn Mohnschnecke erweist sich als absolut verrückte Gefangene. Sie mischt die Brigg "Speckkugel" derartig auf, dass sie bald schon selbst das Kommando übernimmt und das Piratendasein genießt.

Da folgen nun wilde Seeschlachten, in denen mit grünen Kartoffeln und weichen Pflaumen geschossen wird. Es tauchen stinkige Käsekrieger auf und man erlebt so schrullige Szenen wie die Selbstentleibung der kriegerischen Blutwürste, nachdem sie besiegt wurden. Das Personal ist durchgehend schräg bis saukomisch und zuweilen wird es sogar richtig ein wenig unanständig, aber auf jeden Fall ist ständig etwas los. Und andauernd wird Leckeres verspeist und über allem schwebt der Geist des "Großen Konditors" - wer sonst?!

Diese irrwitzige Abenteuergeschichte bleibt bei allem überdrehten Nonsense stets ziemlich spannend und bietet einen an Kreativität kaum zu übertreffenden Kosmos an. Klar, dass selbst das Happyend eine sehr schmackhafte Angelegenheit wird, wie ohnehin das gesamte Buch im wahrsten Sinne des Wortes ein Leckerbissen ist. Maris Putnins hat sämtliche Protagonisten mit viel Liebe zum Detail entworfen und versteht es, diese vermeintlich abseitige Idee mit all den Kuchenteilchen, Broten und Käsesorten sehr bildhaft zu einem rundum stimmigen Kinderroman umzusetzen.

Fazit: eine ganz besondere Geschichte, die fantasiebegabte Kinder ab zehn Jahre begeistern dürfte. Aber auch erwachsene Leser oder Vorleser werden viel Spaß daran haben, zumal Übersetzer Matthias Knoll mit viel Gespür für angemessene Wortschöpfungen für jede Menge ironische Sahnehäubchen auf dem verwegenen Text sorgt.

 

# Maris Putnins: Die wilden Piroggenpiraten (aus dem Lettischen von Matthias Knoll); 656 Seiten, ill.; Fischer Schatzinsel, Frankfurt;

€ 14,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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