HARRY BELAFONTE: "MY SONG"

Harry Belafonte ist jetzt 85 Jahre alt, Zeit für eine Autobiographie. Die ist unter Mithilfe des "Vanity Fair"-Redakteurs Michael Shnayerson nun unter dem Titel "My Song" entstanden. Und man kann nur staunen über eine solche Vita, die sich spannender liest als mancher gute Roman, denn dieser noch immer ausgesprochen souverän auftretende Mann kann auf ein wahrhaft bewegtes Leben zurückblicken.

Dabei wurde der Sohn illegaler Einwanderer am 1. März 1927 im New Ýorker Schwarzenghetto Harlem in ärmlichste Verhältnisse hineingeboren. Als Kind durchlitt der Junge mit den jamaikanischen Wurzeln - dort hatte er sogar eine weiße Großmutter - viel physisiche Gewalt und Einsamkeit. Mit 17 freiwillig zur Navy gemeldet, erlebte er einerseits die rassistischen Demütgigungen als farbiger Soldat, kam aber auch erstmals mit den prägenden Schriften von "W.E.B. Du Bois in Berührung, die sich vehement gegen rassistische Gewalt und Rassendiskriminierung wandten.

Doch diese Autobiographie setzt erstmal mit einem Knaller ein - mit Belafontes heikelstem Einsatz für die Bürgerrechtsbewegung in jenem hitzigen August 1964, als der Ku Klux Klan in den Südstaaten der USA sein blutrünstiges Unwesen trieb und soeben drei Aktivisten brutal ermordet wurden. Ein Hilferuf ergeht an Belafonte, man benötige dringend Geld, damit die Bewegung nicht gänzlich scheitere. Belafonte bringt rund 70000 Dollar auf, aber hier hilft nur die persönliche Überbringung. Er überredet seinen Freund aus ärmlichen New Yorker Tagen, den Filmstar Sidney Poitier, ihn zu begleiten - zu einem wahren Himmelsfahrtkommando unter Lebensgefahr.

Dann erzählt der weltberühmte Gesangsstar, Schauspieler und Entertainer, wie er sich bis dahin entwickelt hatte, wie außer viel Talent auch glückliche Fügungen zu einer so nie angesteuerten Weltkarriere führten. Da jobbte er nach dem Weltkrieg als Hilfshausmeister und entdeckte seine Theaterleidenschaft. Er besuchte die vom deutschen Emigranten Erwin Piscator gegründete Theaterschule "New Yorker New School" und zu seinen Mitschülern zählten spätere Stars wie Tony Curtis, Walter Matthau und Marlon Brando. Mit dem verband Belafonte eine besondere Freundschaft, weil er sich intensiv für die Belange der Schwarzen interessierte und sich später auch dafür einsetzte.

Und es kam zu dem denkwürdigen Start seiner Gesangskarriere, als er den Nebenjob als Pausenfüller im angesagten "Royal Roost Club" antrat. Obwohl völlig unbekannt, waren seine Begleitmusiker die Jazz-Größen Charlie Parker, Max Roach und Miles Davis. Schon bald kamen erste Schallplattenaufnahmen, vor allem auch mit Folksongs und dem karibischen Calypso. Was ihm 1956 den fulminanten Durchbruch mit dem Welthit "Banana Boat Song" bescherte. Sein Erfolg wurde so groß, dass sein Album "Calypso" sich monatelang mit dem ersten Album des kometenhaft aufsteigenden Elvis Presley ein Kopf-an-Kopfrennen an der Spitze lieferte.

Mag der Fortgang dieser Karriere bald auch zu Filmrollen und 1959 sogar zu einer eigenen Fernseh-Show führen - noch weitaus spannender lesen sich nun die Schilderungen all der Aktivitäten auf dem Felde der Bürgerrechtsbewegung. 1956 lernt er Martin Luther King kennen und wird einer seiner wichtigsten Unterstützer. Faszinierend liest sich die Organisation des Marsches zum Lincoln Memorial in Washington, wo sich am 28. August 1963 gut 250.000 Menschen friedlich versammelten, um Kings legendäre "I have a Dream"-Rede zu hören.

Harry Belafonte war nicht nur dabei, er hatte auch ein ganzes Heer von Weltstars aus Hollywood herangeholt, unter ihnen sogar den bekennenden Republikaner Charlton Heston. Belafonte befreundete sich mit Robert Kennedy, nachdem er dessen Bruder John F. im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt hatte. Aber auch die weiteren politischen Aktivitäten des "zornigen Außenseiters", sei es gegen das südafrikanische Apartheits-Regime, sei es als Unterstützer so manches Schwarzen, um Bürgermeister oder Abgeordneter werden zu können, sind geradezu überwältigend.

Doch auch selbstkritische Töne aus dem Privatleben des inzwischen zum dritten Mal verheirateten Weltstars bieten Interessantes aus dem Leben einer der ganz großen Persönlichkeiten unserer Zeit, die immer wieder auch ihre Popularität genutzt hat, um für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen. Selbst heute ist der UNICEF-Botschafter noch höchst aktiv und vibriert regelrecht, wenn er zum Beispiel einen gewissen George W. Bush als Terroristen bezeichnet oder vom amtierenden ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama mehr Empathie für die Benachteiligten im Lande fordert.

Fazit: eine großartige Autobiographie über ein romanhaft buntes Leben, das insbesondere für europäische Leser auch manch Überraschendes zu bieten hat. Im Übrigen sei auf den bald anlaufenden Dokumentarfilm über Harry Belafonte unter dem Titel "Sing your Song" hingewiesen.

 

# Harry Belfonte (mit Michael Shnayerson): My Song. Die Autobiographie (aus dem Amerikanischen von Kristian Lutze, Silvia Morawetz und Werner Schmitz); 623 Seiten, div. Abb.; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 24,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 295 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de