JOHN BOYNE: "DER JUNGE MIT DEM HERZ AUS HOLZ"

Noah Barleywater ist acht Jahre, als er eines Morgens beschließt, von zu Hause fortzugehen. Warum er dies tut, bleibt lange ein Rätsel, über das er verbissen schweigt. Auf seinem Weg gelangt er nach einigen Dörfern und einem Wald zu einem merkwürdigen Holzhaus, wo ein Esel und Dackel sprechen können und auch sonst so manches ungewöhnlich erscheint.

Damit beginnt "Der Junge mit dem Herz aus Holz", das neue Kinderbuch des irischen Autors John Boyne. Im Gegensatz zu seinem Welterfolg "Der Junge im gestreiften Pyjama", der vom Holocaust handelte, ist dieser Roman ausdrücklich als Märchen ausgewiesen. Deshalb handelt es sich bei dem windschiefen Haus auch um einen magischen Spielzeugladen voller Holzspielzeuge und vielen Marionetten.

Noah lernt den Besitzer kennen, einen etwas kauzigen alten Mann, der ständig neue Marionetten schnitzt, obwohl nie Kunden kommen und etwas kaufen. Umgeben ist er außerdem von solch skurrilen Wesen wie Wilhelm, dem hilfreichen Garderobenständer, oder der knurrigen Uhr Alexander. Der Alte lädt den Jungen zum Essen ein und der entdeckt in der Küche eine ganze Kiste voller weiterer Marionetten und zu jeder erzählt ihm der Mann eine Geschichte, denn alle sind wirklichen Personen nachempfunden.

Während Noah all den mal witzigen, mal rührenden Geschichten lauscht, erzählt er zwar auch etwas von sich, doch die Beweggründe für sein Weglaufen von Zuhause behält er eisern für sich. Um so gebannter hängt er an den Lippen des Mannes, als der ihm von seiner Jugend, seinem Leben und vor allem von Poppa erzählt, seinem Vater, der selbst ein großer Marionettenschnitzer war. Den hat er einst tief enttäuscht, weil er ein Versprechen nicht eingehalten hat.

Das geschah, als er mit acht Jahren in eine neue Schule kam und furchtbar gehänselt wurde. Bis man sein besonderes Talent entdeckte: er konnte rennen fast so schnell wie der Wind. Damit wurde er Rekordläufer und gewann sogar bei den Olympischen Spielen. Nur seinen lieben Vater, den vergaß er darüber so lange, bis es zu spät war. Als er nach Jahren endlich heimkam, war sein Vater gerade gestorben und das schlechte Gewissen ließ ihn nie wieder los.

Was das spezielle Geheimnis des alten Mannes war, der nie seine Mutter kannte, aber auch das Rätsel für das Weglaufen Noahs sollen hier nicht verraten werden. Diese bewegende Geschichte um Verlierensängste, um Versprechen und ihre Wichtigkeit hat viele tiefe Weisheiten und dennoch auch ihre heiteren bis komischen Elemente. Vor allem aber erweist sich John Boyne als ein wahrer irischer Märchenerzähler, der es versteht, etwas so Ernstes mit viel Tiefe und dennoch leichtfüßig zu erzählen. Fazit: eine warmherzige fesselnde Geschichte für junge Leser ab etwa zehn Jahre, die aber auch Erwachsene bezaubern wird.

 

# John Boyne: Der Junge mit dem Herz aus Holz (aus dem Englischen von Adelheid Zöfel); 234 Seiten, ill.; Fischer Schatzinsel, Frankfurt;

€ 13,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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