WIBKE BRUHNS: "NACHRICHTENZEIT"

Wibke Bruhns ist die Grande Dame des deutschen Journalismus und wenn sie nun ihr autobiographisches Buch "Nachrichtenzeit" vorlegt, fasziniert sie nicht nur mit einem hochspannenden Rückblick insbesondere auf die bewegtesten Zeiten der Bonner Republik, der Untertitel "Meine unfertigen Erinnerungen" lässt auch auf Nachschub von dieser so klugen Journalistin erwarten.

Schon ihr großer Auftakt war eine Sensation, die etliche Gemüter erhitzte, als sie am 12. Mai 1971 bei der ZDF-Sendung "heute" als erste Frau die Nachrichten moderierte. Das wurde der selbstbewussten jungen Frau, die schon 1968 ein Volontariat bei der "Bild"-Zeiung abgebrochen hatte, zu langweilig und sie wechselte zum damals fast auf SPIEGEL-Niveau agierenden Magazin "stern". Es war die Aufbruchzeit der sozialliberalen Koalition und sie agierte bis in die Zirkel der Macht hinein.

Hier kam es 1973 zu jener nächtlichen Hotel-Affäre mit Willy Brandt - die gar keine war, wie Wibke Bruhns glaubhaft darlegt. Das Gerücht aber wuchs sich zur Legende aus, dabei hatte es nur ein stundenlanges Gespräch. Doch es war gar nichts passiert außer Reden und sie konnte das Gesagte nicht einmal journalistisch verwenden. Im Übrigen fand sie den Kanzler als Mann auch gar nicht interessant, die angebliche Affäre mit einer "stern"-Reporterin aber gab es wirklich - allerdings war das eine Kollegin der lange Zeit Verdächtigten.

Wibke Bruhsn war jedoch sowohl bei Brandts Aufstieg wie bei seinem Fall ganz nah dabei und das auch als Wahlhelferin - heute undenkbar in ihrem Metier. Wo sie ebenfalls beeindruckende Einblicke erlebte wie bei jenem von ihr als unfassbar erlebten Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher, einem Stück mit Schurken und Idioten, das zu Recht verfilmt wurde. Mindestens ebenso aufregend aber lesen sich all die tiefen Blicke in den Hintergrund einer bewegten Zeit.

Anders als in Berlin gab die schreibende Zunft damals längst nicht alles preis, um so faszinierender lesen sich all die Informationen über VIPs der 70er Jahre wie zum Beispiel Erhellendes über den intriganten SPD-Zuchtmeister Herbert Wehner oder über den vermeintlichen Bonvivant Walter Scheel, der hinter den Kulissen jedoch gewieft und stahlhart zu agieren vermochte. Nicht zu vergessen, dass sie vor und nach der Enttarnung Günter Guilleaumes als DDR-Spion an Brandts Seite beinahe hautnah zugegen war.

Was diese vielen persönlichen Eindrücke so wertvoll und vor allem glaubhaft macht, ist ihre uneitliche Sachlichkeit des Erzählens - wobei sie vor der ein oder anderen Schärfe im Ton nicht zurückschreckt. Das gilt dann ebenso für die Schilderungen der späteren Jahre, als sie 1977 nach dem Tod ihres Ehemannes als Auslandsjournalistin arbeitet und schließlich ins Fernsehfach zurückkehrte.

Dagegen fallen die persönlichen Erlebnisse der jüngeren Zeit naturgemüß ein wenig ab, dennoch hat die jetzt 73-Jährige auch da Interessantes zu erzählen, vor allem aber - man darf vermutlich noch mehr erfahren von dieser stets sprachmächtigen und erfreulich unbestechlichen Spitzenjournalistin. Fazit: ein fesselnder Rückblick in spannende bundesrepublikanische Zeiten von Einer, die dabei und mittendrin war.

 

# Wibke Bruhns: Nachrichtenzeit. Meine unfertigen ERinnerungen; 422 Seiten, div. Abb.; Droemer Verlag, München;

€ 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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