MICHAEL CRICHTON/RICHARD PRESTON: "MICRO"

Als der Thriller-Autor Michael Crichton Ende 2008 an Krebs starb, hinterließ der promovierte Arzt einen unfertigen Roman, der im wesentlichen auf der aktuellsten Mikro- und Nanotechnologie beruht. Er selbst hatte zur Vollendung seinen Thrillerkollegen Richard Preston, seines Zeichens promovierter Naturwissenschaftler, ausgewählt und ihm eine Fülle von Material hinterlassen.

Herausgekommen ist dabei der Roman "Micro", ein grandioser Wissenschaftsabenteuerthriller, der vom Beginn bis zur letzten Zeile mit atemberaubender Hochspannung fesselt. Und wo bei Crichtons Weltbestseller "Jurassic Park" riesige Urviecher im Mittelpunkt standen, geht es diesmal ins andere Extrem. Nun mag die Idee, Menschen zu minimieren und mit den dann gigantischen übrigen Lebewesen in einen lebensgefährlichen Überlebenskampf zu schicken, nicht neu sein.

Den Unterschied zu den oft naiv bis promitiv gestalteten Büchern und Filmen dieses Genres macht eben dieser Autor aus und Co-Autor Preston hat das Werk kongenial und ohne jeden spürbaren Bruch zum Abschluss gebracht. Die Mischung von technischen Feinheiten und brillant dargestellter Naturrealität in dieser vor intelligenter Fantasie sprühenden Ausformung garantiert ein anspruchsvolles Lesevergnügen.

Zum Einstieg sterben drei Männer auf der hawaiianischen Hauptinsel Oahu auf mysteriöse Weise in einem Büro, scheinbar ohne Fremdeinwirkung aber alle an haarfeinen Schnittwunden. Dann aber geht es zu sieben naturwissenschaftlichen Doktoranden in Cambridge, Massachusetts, unter ihnen Peter Jansen. Dessen Bruder Eric und die schöne Alyson Bender tauchen auf und werben sie für Nanigen Micro Technologies auf Oahu an. Dort werde im Regenwald zur Entdeckung und Entwicklung neuer Medikamente geforscht.

Verlockende Aussichten tun sich auf, doch kurz vor dem Abflug erhält Peter eine SMS von Eric, die nur sagt "Komm nicht!". Als die Sieben trotzdem nach Oahu fliegen, findet Peter schnell heraus, dass für den unmittelbar zuvor passierten tödlichen Bootsunfall seines Bruders offenbar Alyson Bender und der charismatische Nanigen-Chef Vin Drake verantwortlich sind. Dessen teuflische Skrupellosigkeit unterschätzt Peter auf fatale Weise, als er ihn in dem geheimen Labor vor Zeugen mit seinen Erkenntnissen konfrontiert.

Was Drake bisher nur angedeutet hat, setzt er nun blitzschnell um: alle Sieben sowie der Ingenieur Kinsky werden im Tensorraum eingeschlossen, in dem Magnetfelder höchster Stärke die Dimensionen von Materie ändern - alle Acht schrumpfen auf etwa 15 mm Größe! Und damit beginnt ihr Abenteuer erst. Peter entkommt zwar der Giftschlange, in deren Käfig Drake ihn setzt, und Alyson sammelt sie unter deutlichen Gewissensbissen ein, bevor Drake sie endgültig vernichten kann, doch stattdessen landen sie in der Wildnis des Farnwaldes.

Dort herrscht der blanke Darwinismus, denn hier geht es nicht um Gut oder Böse, hier sind die Acht nichts anderes als Fressbeute für eine unüberschaubare, unheimliche Fülle von fleischfressenden Lebewesen. Selbst all ihre Intelligenz und die umfangreichen wissenschaftlichen Kenntnisse können nicht verhindern, dass der grausame Überlebenskampf ein Opfer nach dem anderen kostet. Ständig bangt man mit aus dieser Perspektive der Winzlinge, für die eine Wespe ein ebenso mörderischer Riese ist wie die brutalen Ameisensoldaten oder riesenhafte Spinnen.

Aber auch von einer Ente als Leckerbissen aufgeschnappt zu werden, wird zum beinah tödlichen Erlebnis - um nur einige markante Begegnungen mit naturgegebenen Horrorsituationen zu nennen. Doch es gibt nicht nur tierische Feinde, denn sie sind nicht die ersten minimierten Menschen in diesem Areal, es existieren sogar regelrechte Stationen von Nanigen hier. Und sie erfahren von den lebensbedrohenden Effekten durch die Tensorkrankheit. Eine nicht nur hier tödliche Gefahr stellen im Übrigen die Kleinstroboter dar, manche einfach nur nützlich als Spione, andere dagegen infernalische Killermaschinen mit heimtückischen Kampfmechanismen.

Wie sich das Alles bis zu einem wendungsreichen dramatischen Finale weiterentwickelt, sei hier nicht verraten, doch großartig sind allein schon all die Details aus der Insektenperspektive, die dem menschlichen Auge sonst gänzlich verborgen bleiben. Mögen die Charaktere - wie bei Crichton eher typisch - auch mäßig entwickelt sein, alles Übrigen entschädigt dafür mit anspruchsvollen wissenschaftlichen Fakten, die ähnlich hinreißend ausgebreitet werden wie die Geschichte ingesamt. Fazit: als wissenschaftlicher Abenteuerroman mit Hochspannung rundum gelungen und die Verfilmung dürfte ebenfalls ein sicherer Welterfolg werden.

 

# Michael Crichton/Richard Preston: Micro (aus dem Amerikanischen von Michael Bayer); 543 Seiten; Karl Blessing Verlag,, München; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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