DAVID MONTEAGUDO: "ENDE"

25 Jahre ist es her, dass sich die Clique in der primitiven Hütte in den Bergen beim nächtlichen Betrachten des Sternenhimmels versprochen hat, exakt am gleichen Datum dort wieder zu einem Wochenende zusammen zu kommen. Tatsächlich machen alle bis auf einen mit, doch das eher lustlos angetretene Wiedersehen wird zu einem apokalyptischen Abenteuer.

Schlicht mit "Ende" hat der in Barcelona lebende David Monteagudo sein in Spanien bereits sehr erfolgreiches Debüt überschrieben, dabei schwebt dieses Diktum erst allmählich über der Gruppe. Mit harmlosen Gesprächen geht es los und das bleibt auch beim Eintreffen in der Herberge zunächst so. Nur einer der Clique, genannt "der Prophet", erscheint erwartungsgemäß nicht.

Das Fehlen dieses damals frömmelnden Spinners wird aber eher erleichtert gesehen, zumal man ihm damals offenbar einen üblen Streich gespielt hat. Während Maribel und Rafa schon zu Cliquenzeiten ein Paar waren, hat Hugo seine Ehefrau Cova mitgebracht und der protzige Gines die höchst attraktive und viel jüngere Maria. Eine bezahlte Eskort-Dame, wovon allerdings nur der Leser erfährt.

Der Abend wird munter mit allerlei Erinnerungen und kleinen Reibereien. Als es nach Mitternacht einen einzelnen Blitz am Himmel gibt, beunruhigt das niemanden, nur der Stromausfall danach wird als lästig empfunden. Ein wenig verunsichert nur, das auch sämtliche sonstigen elektrisch funktionierenden Geräte von den Handys bis hin zu Feuerzeugen nicht mehr gehen und die Autos nicht mehr anspringen. Doch der Sternenhimmel präsentiert sich besonders prächtig und man freut sich auf die Wanderung durch die Schlucht.

Dass Rafa am nächsten Morgen verschwunden ist, führt man auf einen Streit zurück, dennoch setzt zunehmend ein seltsames Empfinden ein. Das sich allmählich zum Horror steigert, denn plötzlich ist auch Cova nicht mehr da - als habe sie sich in Luft aufgelöst. Und es kommt der Verdacht auf, Andres, der Prophet, könne Rache üben für das Unausgesprochene von vor 25 Jahren.

Längst ist der Leser voll vom Sog des schleichenden Unheils erfasst, als klar wird, dass dies nicht das Werk eines Einzelnen sein kann. Es herrscht schönes Wetter, die Tiere sind munter, doch nirgends zeigen sich Menschen, Autos, Flugzeuge. In einem Bauernhaus sieht es bewohnt aus, dennoch ist keine Menschenseele zu finden. Das nächste Dorf ist gleichermaßen entvölkert und der Schrecken wird zum Grauen, denn nach und nach verschwinden die Mitglieder der Clique, ohne erkennbaren Grund, ohne die geringste Spur.

Alles scheint aus den Fugen und je näher das immer kleiner werdende Grüppchen unter nervenzerreißenden Strapazen der Hauptstadt kommt, desto wahnwitziger erweisen sich die Folgen dessen, was sie nicht begreifen können. Und was so harmlos begann, rast unaufhaltsam in eine höchst athmosphärische Endzeitstimmung, gewissermaßen als erlebte man Cormack McCarthys düsteren Thriller "Die Straße" nun in einer rätselhaften sonnenbeschienenen Version.

Das Alles ist schlichtweg grandios geschrieben mit seiner schnörkellosen Sprache, dem infernalischen Spannungsaufbau und den virtuosen Charakterzeichnungen dieser so gänzlich alltäglichen Protagonisten ohne jeden Anflug von Heldentum. Fazit: ein Endzeitthriller von verstörender Faszination, der lange nachklingt und unbedingt verfilmt gehört.

 

# David Monteagudo: Ende (aus dem Spanischen von Matthias Strobel); 349 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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