JUDY NUNN: "MARALINGA"

Wenn ein Roman "Maralinga. Pfade der Träume" betitelt ist und von der in Australien berühmten Fernsehschauspielerein Judy Nunn verfasst wurde, lässt beides zusammen einen typischen Frauenroman erwarten. Und wirklich beginnt der mit einer Liebesgeschichte im England der frühen 50er Jahre.

Elizabeth Hoffmann hat als Frau erhebliche Probleme im Beruf, denn als selbstbewusste Journalistin stößt sie in der konservativen Männerwelt auf Vorurteile und Schranken. Doch auch die spröde Liebesbeziehung zu Daniel Gardiner hat ihre Konflikte, dennoch scheinen Liebesglück und Heirat möglich. Da wird der junge Transport-Offizier auf Monate zu einer geheimen Mission nach Australien abgeordnet.

Hier nun zeigt sich, dass die Liebesgeschichte nur eine Rahmenhandlung darstellt und sich dieser Roman zu einem Thriller vor realem historischen Hintergrund entwickelt, denn Maralinga steht für die britischen Atomversuche der 50er Jahre. Maralinga ist ein riesiges Wüstenareal im Bundesstaat Sout Australia und "One Tree", die erste 1955 dort gezündete Atombombe hatte die Stärke der Hiroshima-Bombe.

Auf der Grundlage hervorragender Recherchen schildert die Autorin atemberaubende Vorgänge und Details um die Versuchsreihen und der himmelschreiende Leichtsinn und die Fahrlässigkeit im Umgang der britischen Soldaten und Wissenschaftler mit den Begleitumständen der eindrucksvoll beschriebenen Explosionen lassen den Kopf schütteln. Da fliegen Piloten in normaler Kleidung zu Messzwecken durch die Atomwolken, Fall-out-Betroffene werden durch Abduschen dekontaminiert und ganz offensichtlich werden viele Soldaten einfach als ahnungslose Versuchskaninchen missbraucht.

Daniel aber bekommt noch ganz andere Machenschaften mit. Es gelingt ihm bei einem Dienstausflug aus dem Sperrgebiet, einen unzensierten Brief an Elizabeth abzuschicken. Beim nächsten besonders schweren Atomversuch aber kommt er um. Offiziell ist es ein Unfall, doch Elizabeth glaubt weder das noch die inoffiziell angedeutete Version vom Selbstmord. Und sie macht sich auf den Weg und recherchiert eigenhändig in Australien.

Dort verliebt sie sich einerseits in den für Maralinga zuständigen Presseoffizier Nick, andererseits kann sie bis in die Pressekonferenzen der Geheimniskrämer vordringen und einen riesigen Skandal an die Öffentlichkeit bringen. Das Alles fesselt insbesondere in den unmittelbar Maralinga betreffenden Passagen und hier vor allem, wenn die Aborigines eine Stimme bekommen oder die mystische Landschaft beschrieben wird.

Weniger überzeugend sind dagegen die Charaktere gelungen und ein versierterer Thrillerautor hätte den Genre-Mix von Liebesgeschichte und Polit-Krimi wohl anders gewichtet. Vielleicht war der absolut filmreife Themenkanon zu verlockend für die Autorin, um die für einen monumentalen Film unerlässlichen privaten Handlungsstränge in der Buchform angemessen zu beschränken. Fazit: trotz bedauerlicher Minuspunkte ein Roman mit einem spektakulären Hauptthema, das viel zu selten literarisch gewürdigt wird.

 

# Judy Nunn: Maralinga. Pfade der Träume (aus dem Englischen von Marion Balkenhol); 507 Seiten; Krüger Verlag, Frankfurt; € 18,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 835 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de