HANS-DIETER GELFERT: "CHARLES DICKENS"

Am 7. Februar jährt sich der Geburtstag von Charles Dickens (1812-1870) zum 200. Mal und längst gilt er neben Shakespeare als größter britischer Dichter der Weltliteratur. Wenn sich anlässlich des runden Geburtstages Hans-Dieter Gelfert Leben und Werk des großen Autors widmet, so ist der emeritierte Professor für englische Literatur prädestiniert für diese Aufgabe wie kein anderer in deutschen Landen, denn er promovierte einst über den "Symbolismus bei Charles Dickens".

Seine Biographie trägt den Titel "Charles Dickens. Der Unnachahmliche" nach jenem Spitznamen des Schriftstellers bei Freunden, den er ebenso selbstironisch wie stolz übernahm. Gelfert eröffnet das Werk mit einer grundlegenden Einführung in das Dickens'sche England. Dieses hatte der Junge aus ärmlichen Verhältnissen selbst auf bittere Weise kennen gelernt, als er mit zwölf Jahren als Hilfsarbeiter ohne jede Hoffnung in einer Fabrik für Schuhwichse schuften musste, um die Familie zu unterhalten.

Auch in der Folge stellt der Biograph jeweils allgemeine Umstände, Vita und Werke einander gegenüber und schafft so ein dichtes Bild des Lebens und Schaffens. Wie Dickens seine Jugenderfahrungen und auch später immer wieder Erlebnisse und vor allem auch prägende Personen in sein Werk einfließen ließ, wird an vielfältigen Beispielen deutlich. Aber ebenso zeigt sich, dass der durch sein Jugendtrauma zum lebenslangen und oft verbissenen Ehrgeiz neigende Literat von Beginn beabsichtigte, mit Spannung und Humor zu unterhalten.

Das wurde zu seinem Erfolgsgeheimnis - die Kritiker warfen ihm dafür vor, den Kunstanspruch der Popularität geopfert zu haben. Dabei brachte ihm sein Markenzeichen, diese Mischung aus menschlicher Wärme, skurrilem bis tiefschwarzem Humor und makabrem Sarkasmus solch immensen Erfolg ein, dass er bei seinem frühen Tod mit eben 58 Jahren verglichen mit heutigen Werten ein Vermögen in zweistelliger Millionenhöhe verdient hatte.

Der Mann, der neben Klassikern wie dem "Oliver Twist" das im englischen Sprachraum absolut herausragende Weihnachtsmärchen mit dem "Christmas Carol" (Eine weihnachtliche Geistergeschichte) um den hartherzigen und raffgierigen Mister Scrooge - eine typische Unternehmerfigur des viktorianischen Zeitalters, in dem Dickens lebte - herausbrachte, das als Glaubensbekenntnis an das Gute im Menschen gilt, war privat durchaus keine Lichtgestalt. Da galt er als egozentrisch und habgierig und es gab dieses besonders rüde Ende seiner Ehe, als er seine nach zehn Kindern zur Matrone gewordene Ehefrau verstieß.

Der Arbeitswütige, der längst zum literarischen Superstar aufgestiegen war, hatte einen Hang zu eher engelhaften Kindfrauen. Dem entsprach denn auch die 27 Jahre jüngere Schauspielerin Ellen Ternan, mit der er ein bis zu seinem Tod strikt geheim gehaltenes Verhältnis unterhielt. Das Alles konnte und kann jedoch seinen Ruhm als großartiger Stilist mit einzigartigen klaren Charakterzeichnungen nicht schmälern.

Im deutschen Sprachraum mag Dickens noch immer vorrangig als humoristischer Volksschriftsteller mit sozialkritischen Tönen gesehen werden, im Angelsächsischen stellt man ihn dagegen eher auf eine Stufe mit James Joyce und Franz Kafka. Doch wie nur wenige hat Dickens stilprägend geschrieben und dabei nicht nur Generationen von Autoren beeinflusst, er hat dabei ein eigenes kritisches Dickens'sches Bild seiner Zeit gezeichnet und zeitlose Klassiker damit geschaffen.

Hans-Dieter Gelfert kommt das Verdienst zu, diesen ganz Großen der Weltliteratur in anspruchsvoller und zugleich sehr unterhaltsamer Weise in ein sachlich angemessenes Licht zu setzen. Und seine Biographie macht unweigerlich Appetit, sich erneut den lebensprallen Werken noch einmal zuzuwenden. Wer dabei die geniale Sprachmagie Dickens' in vollem Umfang kennen lernen will, sollte die Romane allerdings im Original lesen.

 

# Hans-Dieter Gelfert: Charles Dickens. Der Unnachahmliche. Eine Biographie; 376 Seiten, div. Abb.; Verlag C. H. Beck, München; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 292 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de