STEVE EARLE: "I'LL NEVER GET OUT OF THIS WORLD ALIVE"

Steve Earle ist ein Multitalent als Musiker, Schauspieler und jetzt auch als Schriftsteller. Parallel zu seiner jüngsten CD "I'll never get out of this World alive" hat er unter demselben Titel seinen ersten Roman veröffentlicht. Der begnadete Country-Rockmusiker setzt mit dem Titel zugleich seinem Idol Hank Williams, dem Gottvater der Country-Musik ein Denkmal, denn das war dessen letzter Hit zu Lebzeiten.

Der mit gerade 29 Jahren verstorbene Country-Star spielt dabei eine wichtige Rolle in diesem deftigen Roman, der im Herbst 1963 in San Antonio spielt. In der texanischen Großstadt, in der Autor Earle selbst aufgewachsen ist, lebt Doc, der seinerzeit eine Art Leibarzt für Williams war. Nachdem der unter nie ganz geklärten Umständen am 1. Januar 1953 auf der Fahrt zu einem Konzert vermutlich infolge seiner Trunksucht aber auch an Morphiumgaben verstorben war, hatte Doc nicht nur seine Approbation verloren, seither plagen ihn auch schwere Schuldgefühle.

Vor allem aber verfolgt ihn seither der Geist des Sängers, während er sich mit illegalen Abtreibungen für die Nutten des Rotlichtbezirks durchschlägt und auch mühsam seinen Drogenbedarf zu decken versucht. Williams' Geist lässt ihn nicht in Ruhe, doch nun tut sich etwas, nachdem Doc die 18-jährige Graciella bei einer Abtreibung fast verblutet wäre. Da das Mädchen nicht in seine streng katholische mexikanische Familie zurück kann, bleibt sie bei Doc.

Mit ungeahnten Folgten für den heruntergekommenen alten Kauz, der sich längst mit einem elendigen Leben zwischen all den Kleindealern, Nutten und Kriminellen abgefunden hatte. Graciella erweist sich als geradezu engelsgleiches Wesen, das mit der Gabe des Heilens durch Handauflegen gesegnet ist. Das gibt Doc eine neue Lebensperspektive und - es zeigt seinem Quälgeist Williams Grenzen auf, nachdem er Doc bisher unnachgiebig gepiesackt hat.

Da ahnt man autobiographische Züge, denn auch Steve Earle war heroinsüchtig und weitgehend am Boden, bevor er sich mühsam aus dem Sumpf der Selbstzerstörung befreien konnte. Um so authentischer wirkt dieser rabiate Roman mit seiner rauen Prosa, der in Abgründe blicken lässt und mit starken Szenen das Attentat auf John F. Kennedy ins Geschehen einbaut. Schuld und Sühne, Rache und Vergebung, Ingredienzen vieler seiner Songs, fließen ein und wenn die Sprache so direkt und oft auch vulgär ist wie die eines musikalischen Charles Bukowski, so fasziniert diese lebenspralle Gossenpoesie immer wieder mit funkelnden Elementen.

Fazit: ein wuchtiger Geschichtenerzähler erzählt mitten aus einem Leben, das viele Tiefen ausgekostet hat, und er nennt die Dinge beim Namen. Eine zusätzliche Würze ist dabei viel Authentisches aus der Geschichte der Country-Musik.

 

# Steve Earle: I'll never get out of this World alive (aus dem Amerikanischen von Gunnar Kwisinski); 384 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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