ANN-KRISTIN GELDER: „ON:OFF“


Dieser Jugendthriller beginnt spannend und steigert sich auf unberechenbare Weise immer weiter bis zu einem atemberaubenden Finale. „ON:OFF“ lautet der Titel und was Ann-Kristin Gelder da geschrieben hat, setzt schon mit einem sehr speziellen Selbstmord ein, denn der wird von Nora ganz intensiv miterlebt.
Hautnah gewissermaßen, obwohl die 17-Jährige gar nicht vor Ort ist, als sich Lily aus der Gondel eines Riesenrads in den Tod stürzt. Das schrille lebensechte Mitempfinden beruht auf der sogenannten Synchro, mit der die Bewusstseinswellen zwischen den beiden Teenagern verlinkt waren. Dahinter steckt eine bahnbrechende Idee der NGS, die an entsprechenden Chips der Nano-Technologie forscht.
Totales Mitempfinden bis zum Erlöschen des Lebenslichts, diese schonungslose Gänsehauterfahrung ist für Nora allerdings nicht völlig neu, denn seit zwei Jahren arbeitet sie als „Regulator“ für die NGS. Natürlich läuft alles streng geheim und ihren Eltern gegenüber genießt sie bei der Firma ein „Begabtenförderungsprogramm“ fürs Abitur. Tatsächlich aber betreibt sie Manipulationen und Psychobeeinflussungen, um Personen zu rekrutieren als Links, also als Gegenüber.
Denen das jedoch nicht bewusst gemacht wird. Nach der Synchro ist der Eine mit seinem Bewusstsein unmittelbar und fast unauflöslich mit dem des Anderen verbunden und der Übernommene weiß es nicht. Zum besseren Verstehen einiger technischer Hintergründe empfiehlt sich hier das vorherige Lesen des angehängten Glossars.
Doch weder hypermoderne Technik noch die zentrale Liebesgeschichte beherrschen diesen Alptraumthriller sondern das, was Ich-Erzählerin Nora unter strengsten Auflagen der NGS-Bosse für deren skrupellose Forschung tut und tun muss, Nun aber hat sie erneut in gewohnt emotionsloser Vorgehensweise auf der Grundlage ihrer Analysen den nächsten Annäherungsplan ausgearbeitet.
Zielperson ist der junge Musiker Alex, dessen Vertrauen sie sich für die beabsichtigte Bewusstseinssynchronisation sie sich erschleichen muss. Doch Alex ist ebenso sensibel wie intelligent und obendrein knistert es sofort zwischen den Beiden, mehr als ihr recht ist. Prompt kommt es zur Liebesnacht mit tiefen Empfindungen zwischen ihnen – mit viel Fingerspitzengefühl hervorragend beschrieben – und gleichzeitigen infamen Hintergedanken: „Alles zu dem Zweck, ausreichendes Vertrauen zu schaffen, um neben ihm einschlafen zu können.“
Was eine wichtige Voraussetzung für den Synchro-Vorgang wäre, doch Nora bringt es nicht über sich. Und das nicht allein wegen zu starker Gefühle für Alex, vielmehr aht sie inzwischen zu viele Zwischenfälle mit der noch nicht ausgereiften Technologie mitbekommen. Zugleich ist ihr klar, dass sie damit beide in Lebensgefahr sind, denn die NGS-Bosse scheren sich nicht im mindesten um Kollateralschäden.
Und notfalls gehen sie auch über Leichen und für Abtrünnige gilt das sowieso, Womit der rasante Thriller noch mehr Fahrt aufnimmt und es auch zu Gewaltexzessen kommt. Die Bosse sind gnadenlos in ihrem Forschungswahnsinn und es fließt viel Blut. Wegen dieser Heftigkei8t kann dieser Roman auch erst ab etwa 17 Jahren empfohlen werden. Fazit: ein schockierendes, intensives, haarsträubendes und zugleich treffsicher geschriebenes Meisterwerk des Genres.

# Ann-Kristin Gelder: ON:OFF; 426 Seiten, Klappenbroschur; Thienemann Verlag, Stuttgart; € 17

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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