MICHAEL LISTER: "SELBSTAUSLÖSER"

"Realistisch. Praktisch. Ausbildung. Arbeit. Aufgaben. Hochzeit. Hypotheken." Mit solch dürren Worten führt Michael Lister seinen Helden Remington James in seinem Roman "Selbstauslöser" ein, dem ersten auf Deutsch erschienenen Werk des US-Erfolgsautors. Schauplatz ist dabei Florida, wo Lister selbst aufgewachsen ist und sich u.a. dem Naturschutz widmet.

Remington ist in die Kleinstadt seiner Familie heimgekehrt, um das Geschäft des verstorbenen Vaters weiterzuführen und die kranke Mutter zu versorgen. Dabei hat er den Job als Werbefachmann hinter sich gelassen, aber auch Ehefrau Heather, nachdem sie sich einander entfremdet hatten. Und Remington hat seine große Leidenschaft wieder aufgenommen, das Fotografieren. Das hätte er in jungen Jahren gern als Künstler zum Beruf gemacht wegen der geliebten "Unmittelbarkeit der Fotografie".

Einmal mehr streift er nun durch die Wildnis am Apalchicola-Fluss. Dort hat er Kamerafallen installiert, um seltene menschenscheue Tiere abzulichten. Und tatsächlich gelingen ihm an diesem Tag auf der Pirsch sogar einzigartige Aufnahmen von einer Schwarzbärin mit Jungem. Doch dies ist ein Thriller, auch wenn sich das erst allmählich eröffnet - dann aber von packender Rasanz und Sogwirkung.

Remington entdeckt auf der Speicherkarte einer der Kamerafallen, dass die nicht Tiere sondern einen Mord eingefangen hat. Und dass dies erst kurz zuvor geschehen und der Mörder vermutlich noch in der Nähe ist. Als Remington ihn sogar sieht und fotografiert, löst in der einsetzenden Dämmerung der Blitz aus - und es setzt ein gnadenloses Katz- und Maus-Spiel ein. Ein nächtliches Drama auf Leben und Tod, bei dem hinter jedem Baum oder Strauch das Ende lauern kann, zumal der Mörder offenbar Helfer bei sich hat.

Und nun spürt der Leser, wie sehr Hemingway oder Cormac McCarthy Vorbilder für diesen Autor sind, denn das Geschehen treibt mit schnörkelloser knapper Prosa vorwärts und in der steten Nahtoderfahrung taucht der Gejagte in zuweilen geradezu surreale Erinnungen ab. Kompakt und so temporeich, als wäre der Serienverschluss der Kamera auf Dauerfeuer eingestellt, stürzt der Roman auf ein atemberaubendes Finale zu.

Das hat dennoch durch die hautnahen Athmosphäre wie auch die hinreißenden Beschreibungen von Fauna und Flora viel Tiefe. Ohnehin zeigt dieser dichte Roman, der sich ja innerhalb von weniger als einem Tag abspielt, in seinen Perspektivwechseln auf, worauf es im Leben wirklich ankommt. Und deshalb seien Freunde typischer Thriller ein wenig gewarnt: der oft stakkatoartige Stil, Satzfragmente und Sprünge stellen hohe Ansprüche.

Wer aber solche Kunstgriffe zu schätzen weiß, hat hier ein Meisterwerk der Spannungsliteratur vor sich - einen großen Roman auf nur 238 Seiten, der einen vor filmreifen Bildern nur so taumeln lässt.

 

# Michael Lister: Selbstauslöser (aus dem Amerikanischen von Barbara Christ); 238 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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