JEFFREY EUGENIDIS: "DIE LIEBESHANDLUNG"

In seinem neuen großen Roman "Die Liebeshandlung" bringt US-Erfolgsautor Jeffrey Eugenidis in einem geradezu klassischen Dreiecksverhältnis romntische Ansätze mit einer ganz unromantischen Zeitebene zusammen. Es beginnt mit der Abschlussfeier dreier Studenten im Jahr 1982, einer von Gefühlsseligkeiten bekanntlich weniger geprägten Epoche.

Im Mittelpunkt steht die 22-jährige Madeleine aus guter Ostküsten-Familie, die gegen jeden Trend die viktorianischen Dichterinnen mit ihren großen Gefühlsdramen zum Thema ihres Literaturstudiums gemacht hat. Im Laufe der umfangreichen Geschichte wird dabei immer wieder deutlich, dass Madeleine trotz betonter Attraktivität und guter Intelligenz eher ein Duchschnittstyp sei.

Gleichwohl haben sich gleich zwei Kommilitonen in sie verliebt. Der eine ist der unsichere Theologiestudent Mitchell, ein intellektueller Kopf mit Bildung und guten Manieren. Eigentlich durchaus der Typ des beliebten Schwiegersohns, hat er dennoch nicht nur bei Madeleine keine Chance. Die hat sich ohnehin in seinen gut aussehenden Kontrahenten Leonard verliebt, einen brillanten und charismatisch auftretenden Biologiestudenten. Damit mischt der Autor das klassische Liebesdreieck viktorianischer Romane mit dem typischen College-Flair, angereichert mit damals undenkbaren Sexszenen.

Während nun die Zerrissenheit des sensiblen mystisch beseelten Goittsuchers Mitchell diesen in die Ferne und sogar bis nach Indien und zu Mutter Teresa schweifen lässt, macht die als wohlbehütete Tochter aufgewachsene Madeleine ihre Erfahrungen mit dem nur nach außen so sicheren Leonard. Der ist nämlich Scheidungswaise zweier Alkoholiker und seine manisch-depressiven Probleme gehen so weit ins Psychotische, dass er starke Medikamente schlucken muss.

Da diese jedoch auch für eine massive Dämpfung seiner sonst so virilen Lebensgeister sorgen, reduziert er ihre Einnahme. Und Madeleine heiratet den wiedererwachten Strahlemann in einer Blitzhochzeit. Doch das Glück trübt sich durch manisch-depressive Ausfälle bereits in den ersten Monaten dieser hastigen jungen Ehe und Madeleine ist schlicht überfordert von der Situation.

Das Alles wird mit wechselnden Perspektiven erzählt, wobei die Dialoge einmal mehr brillant sind und zuweilen mit hinreißendem Witz glänzen. Zu den stärksten Passagen gehören jene über Leonards Krankheitsschübe, aber auch die Gottsucherei Mitchells weiß zu fesseln. So ist die Schwachstelle dieses ansonsten hochklassig ausgeklügelten Romans ausgerechnet die überraschend blasse Figur der Madeleine, die bei dem genauen Beobachter Eugenidis trotz ihrer intensiven Präsenz wenig an Konturen gewinnt.

Fazit: ein weitgehend gelungenes Werk auf anspruchsvollem Niveau, das jedoch hinter den meisterhaften Vorgängern zurückbleibt.

 

# Jeffrey Eugenidis: Die Liebeshandlung (aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Grete Osterwald); 623 Seiten; Rowohlt Verlag, Reinbek; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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