PHIL RICKMAN: "DIE GEBEINE VON AVALON"

1560 war ein höchst kritisches Jahr für die erst seit einem Jahr regierende Königin Elizabeth I., denn ihre Schwester hatte sich als Vorgängerin in ihrer nur fünfjährigen Herrschaft mit ihrer blutrünstigen Rekatholisierung Englands den Ruf der "Bloody Mary" erworben. Elizabeth hebt diese Bestrebungen auf und fördert sogar religiöse Toleranz wie auch die Wissenschaften.

Doch sie hat mächtige Feinde in diesen von religiösem Fanatismus und Aberglauben durchsetzten Zeiten. Hinzu kommen die vom feindlichen Frankreich geschürten Intrigen, um die Legitimität ihrer Herrschaft anzuzweifeln. Das ist die Situation zu Beginn von Phil Rickmans ersten Historienroman "Die Gebeine von Avalon". Diese Reliquie soll Elizabeth herbeischaffen als Beweis der Legimität, sonst werde sie sterben, prophezeit kein Geringerer als der berühmteste aller Astrologen: der französische Arzt Nostradamus.

So erhält nun Dr. John Dee den Auftrag, nach Glastonbury zu reisen, denn dort sollen die Gebeine des legendären König Artus verborgen sein. Diese soll die Königin als Beweis der Herkunft der Tudors aus edelstem Königsgeschlecht vorzeigen. John Dee (1527-1608) war Elizabeths zeitweiliger Berater und Astrologe und ist eine historische Figur. Dee galt bereits zu dieser Zeit als einer der größten Gelehrten Europas und war ein Mann der Wissenschaft, den neben Mathematik und Astronomie aber auch die Mystik brennend interessierte.

Begleitet wird Dee von seinem Freund und ehemaligen Schüler Robert Dudley, seines Zeichens nicht nur Oberstallmeister sondern auch Liebhaber der Königin. Als die kleine Reisegruppe inkognito als "Staatsbeamte vom Hof" in Glastonbury ankommt, begegnet man ihnen mit Misstrauen, denn die letzten Königstruppen haben vor 20 Jahren das berühmte Kloster zerstört und der weise Abt Whiting wurde grausam hingerichtet.

Bald schon erkrankt Dudley schwer und statt des abwesenden Arztes Barrow erscheint dessen Tochter Nel, ebenfalls vom Fach. John Dee verliebt sich sofort in die schöne Heilerin, zugleich häufen sich nicht nur die Schwierigkeiten, etwas über die Gebeine zu erfahren, einer ihrer Diener wird sogar aufs grausigste in der Klosterruine umgebracht und alles deutet auf einen Ritualmord hin. Sind es die alten Kräfte des Feenreichs von Avalon, das hier einst geblüht haben soll und waren Hexen am Werk?! Die Urteile sind schnell und drastisch und Argumente interessieren niemanden. Dafür sorgen finsterer Aberglaube - auch John Dees wissenschaftliche Arbeiten werden als Zauberei verdächtigt - und Leute wie Sir Edmund Fyche, der als ehemaliger Mönch des Klsoters jetzt ebenso eigensüchtige wie drakonische Macht als Friedensrichter ausübt.

Böse Machenschaften hintertreiben Dees Forschungsarbeit und machtlos muss er erleben, dass Nel als Hexe und Mörderin eingekerkert wird und dem sicheren Tod entgegensieht. Das Alles schaukelt sich zu einem schaurigen Finale mit deftigen Überraschungen auf, mehr sei hier jedoch nicht verraten. Rickman hat hier einen Thriller von eher subtiler Spannung geschrieben, der insbesondere von den großartigen Charakterzeichnungen und dieser höchst authentischen Atmosphäre von dunkler Bedrohlichkeit lebt.

Dabei kommt dem altertümlich anmutenden Sprachstil von Ich-Erzähler John Dee eine ähnlich wichtige Rolle zu wie der Tatsache, dass der Gelehrte einige Jahre später tatsächlich begonnen hat, Tagebuch zu führen. Nicht umsonst lautet der Untertitel "Aus den höchst vertraulichen Papieren des Dr. John Dee, Astrologe und Berater Ihrer Majestät der Königin".

Ganz so wirkt sein Erzählen auch hier und die kirchenkritische Haltung wie auch die starke Spiritualität prägten den echten John Dee wie die Romanfigur. Fazit: ein außergewöhnlicher Historienroman von hoher Klasse, bei dem das Lesevergnügen durch etwas Kenntnis der Tudor-Zeit noch erheblich gesteigert wird.

 

# Phil Rickman: Die Gebeine von Avalon. Aus den höchst vertraulichen Papieren des Dr. John Dee, Astrologe und Berater Ihrer Majestät, der Königin (aus dem Englischen von Alexandra Hinrichsen); 655 Seiten, Flexoeinband; Rowohlt Polaris, Reinbek;

€ 15,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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