BERNARD CORNWELL: "DAS FORT"

Die sogenannte Penobscot-Expedition im Sommer 1779 war die größte Katastrophe der US-Marine, bevor es 1941 zum japanischen Überfall auf Pearl Harbour kam. Da sie jedoch so schmählich und selbstverschuldet war, wird sie bis heute weitgehend totgeschwiegen. Nun hat sich mit Bernard Cornwell ein Autor des Themas angenommen, der für seine vielen erfolgreichen Abenteuerromane vor jeweils historischem Hintergrund berühmt ist.

"Das Fort" hat er das Buch überschrieben, das abweichend von seinen bisherigen dramatisierten Werken weniger ein Roman als vielmehr eine Art romanhafte Chronik der Ereignisse darstellt, in der wesentliche Protagonisten reale Personen der Geschichte sind. Die Zeit führt ins dritte Jahr der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika, die aber immer noch im Krieg mit dem bisherigen Mutterland Großbritannien liegen.

Die Kampfhandlungen haben sich in den Süden verlagert und nun nutzt eine kleine Invasionstruppe von kaum 750 Rotröcken die Gelegenheit, um mit drei Kriegsschaluppen an der Küste Neuenglands auf einer Landzunge an der Bucht von Penobscot ein Fort zu errichten. Dieses Fort George soll nicht nur den Machtanspruch der Krone weithin sichtbar machen, es soll auch den sogenannten Loyalisten eine Zuflucht bieten, Siedlern, die die neue Regierung ablehnen und wieder Untertanen von König Georg III. sein wollen.

Die Ratsregierung des US-Staates Massachusetts fasst diesen Affront als Kriegserklärung auf und sammelt eine große Flotte von immerhin 18 Kriegs- und 21 Transportschiffen. Die Besatzungen und die gut 1000 Mann Miliz müssen großenteils in den Dienst gepresst werden. Doch die Grundlagen des kommenden Desasters sind bereits vor dem Auslaufen abzusehen, denn es gibt weder einen gründlichen Plan noch eine irgendwie geartete Taktik.

Noch fataler aber soll sich die unausgegorene Befehlsstruktur auswirken, denn die Miliz wird angeführt von General Solomon Lovell und die nur auf dem Papier kampfstarke Flotte von Commodore Dudley Saltonstall - zwei Männer, die überhaupt miteinander können. Anfangs scheint der Erfolg dennoch in Reichweite, denn es gelingt, die Steilküste an der Bucht sowie die Insel Cross Island als wichtigen Stützpunkt zu erobern.

Derweil fürchtet Briten-General McLean, dass mit seinen zahlenmäßig weit unterlegenen Truppen - er schätzt den Gegner auf 3000 Mann - und dem nicht mal halb fertigen Fort bald schon wird kapitulieren müssen. Die Amerikaner jedoch sind nicht nur unerprobt im Kampf, sie verheddern sich in entscheidende Kompetenzstreitigkeiten. General Lovell soll das Fort angreifen, will dies aber erst tun, wenn die Bedrohung durch die englischen Schiffe beseitigt ist. Commodore Saltonstall verweigert jedoch den Angriff seiner Schiffe, denn wenn er in den Hafen segle, werde er wegen des feindlichen Kanonenfeuers Schiffe und Manschaften verlieren.

Die verwunderten Briten machen derweil das einzig Richtige: sie bauen das Fort weiter aus und warten ab. Und tatsächlich führen die Zwistigkeiten, gepaart mit Feigheit, Zaudern und militärischem Versagen zu einer unfassbaren Niederlage. Viele Schiffe werden Opfer der wenigen britischen Kriegsschiffe und der Rest wird von den Amerikanern selbst verbrannt, damit sie nicht in die Hände des Gegners fallen. Die Geschlagenen machen sich vom Kriegsschauplatz im heutigen Castine, US-Staat Maine, auf einen langen Rückmarsch durch die Wildnis, der mehr Opfer kostet als die gesamte kriegerische Auseinandersetzung.

Cornwell beschreibt das Alles wie in einem Kriegstagebuch, schafft dabei durch die ständig wechselnden Erzählperspektiven zwischen Amerikanern und Engländern einerseits ein hohes Maß an Objektivität und andererseits eine intensive Spannung. Vor allem die massiven Reibereien zwischen den US-Offizieren bis hin zu Subordination und Auflösung des Zusammenhalts sind teils geradezu dramatisch und nicht zuletzt brachte das Versagen Commodore Saltonstall sogar vors Kriegsgericht.

Im Gegensatz zu einem Kriegsroman fehlen hier herausgehobene Hauptfiguren. Um so interessanter ist das umfangreiche erläuternde Nachwort des Autors zu den historischen Tatsachen, bei denen sogar ganz massiv am Denkmal des noch heute als Held verehrten Colonel Paul Revere gekratzt wird. Fazit: ein hervorragend geschriebenes Buch, das aber eher dem Genre Non-Fiction zuzuordnen ist und vornehmlich jene Leser begeistern wird, die sich für den Verlauf und die Hintergründe historischer Schlachten interessieren.

 

# Bernard Cornwell: Das Fort (aus dem Englischen von Karolina Fell); 603 Seiten; Wunderlich Verlag, Reinbek;

€ 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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