OLAF KÜHL: "TOTE TIERE"

Der deutsche Ich-Erzähler Konrad und sein bester Freund, der polnische Schriftsteller Karymsiuk, fühlen sich irgendwie frustriert. Um dem Leben wieder einen richtigen Kick zu geben, fassen die Beiden einen irrwitzigen Plan: sie wollen den berühmtesten politischen Gefangenen der Welt befreien, den Milliardär Michail Chodorkowskij, der seit 2005 in einem sibirischen Knast einsitzt.

Das ist die Vorgabe von Olaf Kühls wahrhaft kauzigem Roman "Tote Tiere". Natürlich wollen die edlen Retter ohne Frauen reisen wegen der zu großen Gefahr, während sie selbst schon mal heimlich das Schießen auf Bierdosen üben. Es gibt sehr bald keinen Zweifel mehr daran, dass sie ziemliche Stümper sind und obendrein wissen sie nicht einmal, ob Herr Chodorkowskij überhaupt auf die Befreiung eingehen würde.

Das kann die seltsamen Strategen aber ebenso wenig auf ihrem ziemlich zielstrebigen Roadmovie nach Sibirien bremsen wie diverse Zwischenfälle mit eigenwilligen Zeitgenossen. Selbst die knisternde Begegnung mit einer schönen Witwe kann die Helden nicht aufhalten, denn sie haben nicht nur ein Ziel, sie haben sich dafür auch ein Datum gesetzt: am 8.8.2008, dem Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking, wollen sie "zuschlagen".

Geradezu wider Erwarten erreichen sie tatsächlich das ferne sibirische Tschita, in dem Chodorkowskij inhaftiert ist. Doch wie soll es nun weitergehen - ob man für das kniffliche Vorhaben womöglich die rabiaten illegalen chinesischen Arbeiter einschalten könnte? Oder kann Natascha helfen, dieses seltsame Früchtchen, das in einer Bretterbude haust, aber offenbar regelmäßig Zugang in den Knast hat? Allerdings hat sie dann bald auch eine hässliche Schusswunde im Kopf und obendrein Karymsiuks Handynummer in ihrem Handy.

Wie diese absolut schräge Chose ausgeht, sei hier nicht verraten, jedenfalls bietet sie viel seltsam melancholische Verrücktheiten. Vor allem aber wird der ganz normale postsowjetische Wahnsinn Russlands ätzend und zuweilen gänzlich unfassbar ausgebreitet: "Hier gehen sogar die Hunde vor die Hunde." Dies ist der Wilde Osten und diese beiden intellektuellen Einfaltspinsel sind viel zu fatalistisch, um noch zu staunen oder sich gar aufzuregen.

Fazit: ein ungewöhnlicher Reiseroman mit zwei sehr speziellen Freunden, von herbem Witz durchzogen und als wunderbare Vorlage für großes Kino bestens geeignet. Als Werbemittel für den Sibirien-Tourismus allerdings ganz und gar nicht...

 

# Olaf Kühl: Tote Tiere; 285 Seiten; Rowohlt Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANHG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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