JAN COSTIN WAGNER: "DAS LICHT IN EINEM DUNKLEN HAUS"

Wer bringt eine Komapatientin um, indem er die lebenserhaltenden Maschinen abschaltet? Und welcher Mörder hinterlässt als einzige Spur ausgerechnet eine Träne auf dem Bettlaken? Doch Kommissar Kimmo Joentaa im finnischen Turku hat noch ein zusätzliches Problem, denn niemand kennt die Identität der vor Monaten schwer verletzt eingelieferten Patientin.

Damit beginnt Jan Costin Wagners vierter Krimi um den melancholischen Ermittler und der Titel lautete "Das Licht in einem dunklen Haus". Nach dem frühen Krebstod seiner Frau hatte er im letzten Fall ("Das Schweigen") in der erratischen Larissa eine Partnerin mit seltsamer Vergangenheit gefunden, die ihn erstmals wieder ein wenig Lebensbejahung spüren ließ.

Joentaa weiß, dass sie zeitweise als Prostituierte arbeitete und zuweilen für einige Tage einfach untertauchte, dennoch trifft es ihn nun sehr, dass sie diesmal offenbar auf Dauer verschwunden ist, denn sie hat Schlüssel und Handy zurückgelassen. Seine Sorge um Larissa mindert seine Konzentration auf den neuen Fall erheblich und er tappt lange völlig im Dunkeln. Derweil bekommt der Leser dagegen ebenso verwirrende wie spannende Puzzlesteine an Informationen durch Tagebucheinträge aus zwei Zeitebenen.

Sie stammen zunächst von einem Zwölfjährigen und reichen zurück in den Sommer 1985, als der Junge in seine schöne Klavierlehrerin Saraa verliebt war. Bis ihr Freund Risto mit seinen Kumpels an einem heißen Augusttag der Idylle durch brutales Ausrasten ein Ende bereitet. Ein Verbrechen, für das es aber offenbar mehr Zeugen gab, als die Täter ahnten. Doch erst nach und nach führen die Mosaiksteine der Ermittlungen auch Kimmo in die Provinz, wo es weitere Mordopfer gibt, allesamt Schüler derselben Dorfschule.

So wie sich allmählich erst der Schrecken jenes Sommertages entfaltet, so langsam aber unaufhaltsam schreitet derweil etwas voran, das man nur als Rachefeldzug bezeichnen kann, und es bleibt eine Erkenntnis: der Mörder ist allemal sympathischer als seine Opfer und nichts als Vergeltung treibt ihn. Das fesselt unaufgeregt und dennoch mit hoher Sogwirkung mit der kargen Intensität der Prosa und diesen lakonischen Dialogen, die so typisch sind für die finnische Mentalität.

Doch dieser Roman um Schuld, Sühne und viel Sehnsucht ist mit seinen exzellenten Psychogrammen und der meisterhaften Komposition weit mehr als "nur" ein Krimi: spätestens mit diesem Werk ist Jan Costin Wagner in der Liga hoher literarischer Spannungslektüre angekommen.

 

# Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus; 309 Seiten; Galiani Verlag, Berlin; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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