DANIEL H. WILSON: "ROBOCALYPSE"

Mit alltäglich wirkenden scheinbaren Pannen und Fehlfunktionen fängt es an und die Menschheit ist völlig ahnungslos, als dann die Stunde Null kommt: der Krieg der Maschinen gegen alles menschliche Leben, kalt, emotionslos und von infernalischer Effektivität. So wenden sich Hausroboter gegen ihre Besitzer, Autos fahren Passanten nieder, Flugzeuge bringen sich selbst zum Absturz und durchautomatisierte Gebäude werden zu tödlichen Fallen.

Wie in alten Zeiten die Apokalypse mit ihrem Weltuntergangsszenario ist dies die "Robocalypse". Und so lautet auch der Titel von Daniel H. Wilsons wahrhaft atemberaubenden Thrillerdebüt. Und er weiß, von was er da schreibt, denn er promovierte über Robotertechnik und ist Experte für das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Und eben die steht am Anfang dessen, was der Holocaust werden soll. Professor Dr. Nicholas Wasserman schuf immer neue Modelle, die er gleich wieder verwarf, um noch perfektere zu fertigen.

Bis zur jüngsten Version von ARCHOS, die die unheilverkündenden Worte spricht: "Aber nun können Sie die Suche beenden, Professor. Sie sind am Ziel. Die Zeit der Menschen ist vorbei."Mit diesen Worten tötet ARCHOS ihn und sorgt für die Herrichtung eines genial versteckten Hauptquartiers für den Krieg zur Beseitigung der menschlichen Gattung. Gleich zu Beginn gehen Milliarden Menschen zugrunde, denn dem Zusammenschluss aller Maschinen der Welt zu tödlichen Waffen stehen sie ebenso fassungslos wie hilflos gegenüber.

Mit einem aber hat ARCHOS in seiner kalten brillanten Rationalität offenbar nicht gerechnet: mit dem tief verwurzelten Überlebensdrang des Menschen, der in irrationalem Mut bis zur Selbstaufgabe gipfeln kann. Und nur weil es Gruppen von Menschen gibt, die sich wehren, die auf zuweilen abstruse aber wirksame Abwehrmechanismen verfallen, kann überhaupt über diesen Krieg gegen die Menschheit berichtet werden.

Es ist eine beklemmende Chronik des Widerstandes geworden, die einer der wichtigsten Kämpfer hier im Stil einer Reportage vorträgt und was dieser Cormack Wallace da schildert, ist schlichtweg haarsträubend. Vor jedem Einzelkapitel erläutert er übrigens die Quelle der Überlieferung, denn mal sind es Aufzeichnungen von Überwachungskameras, mal ein digitales Tagebuch oder auch ein persönlicher Bericht eines der Helden.

Die Schreckensszenarien sind vielfältig und manche Widerständler formieren neue Taktiken und Mechanismen, während sie selbst im Partisanenkampf gegen die sich ständig fortentwickelnden Maschinen untergehen. Da ist der für Kriegsroboter zuständige Blanton, der in Afghanistan Angriffspunkte dieser SIBs ausfindig macht, während es in manchen Städten Widerstandsnester in entkernten und "maschinenfrei" gemachten Häusern gibt.

Die Kongressabgeordnete Laura Perez kämpft um ihre kleine Tochter und diese wiederum gehört zu den speziellen Opfern von ARCHOS, denn in einer Art KZ für Experimente an Menschen wird sie umoperiert. Und wird zugleich dank des todesmutigen Eingreifens ihrer Mutter zu einer der entscheidenden Waffen zum Sieg gegen die Robo-Willkür.

So kühl und sachlich Wilson die Ereignisse auch schildert, den zahlreichen Protagonisten bis hin zu einem ganzen Indianerstamm hat er exzellente Charakter angedeihen lassen, allen voran den kauzigen Robotertechniker Takeo Nomura. Der kleine alte Jpaner ist ein genialer Tüftler und lebt in einer vielfach verspotteten Beziehung zu der Robo-Dame Michiko. Sein Solo-Kampf gegen die geballte Macht der Robos und der ganz spezielle folgenreiche Einsatz Michikos wäre für sich allein bereits ein hinreißender Roman.

Doch die Hyperspannung wird durch das vom KI-Gegner stetig weiter perfektionierte Vernichtungswerk von Grauen durchsetzt. Nicht nur, dass es zu entsetzlichen Kombinationen von Menschen und mechanischen Bestandteilen zu sogenannten Transhumanen kommt, die emotionslose KI entwickelt ähnlich perverse Ideen für grausame Waffen wie die menschlichen Waffentechniker aller Epochen. Dabei lassen bereits die kleinen Killerkreaturen wie die in Scharen angreifenden ameisenartig gebauten Stumper das Blut in den Adern gefrieren: sie krabbeln am Menschen hoch und explodieren, sobald sie mit der Wärme der Haut in Berührung kommen.

Man kann nach dem dramatischen Finale kaum glauben, dass ARCHOS wirklich besiegt und der Krieg für den Rest der Menschheit gewonnen sein soll. Das eigentlich Beängstigende dieses ebenso rau wie authentisch wirkenden Romans aber ist die Realitätsnähe, denn viele der genannten Roboter gibt es schon jetzt in einfacherer Form und es gibt ja längst unter Fortschrittsskeptikern die Frage, ob und wann sich die Technologie, die unser Leben bestimmt, vereinigt und gegen ihre Erbauer wendet. Schon von daher kann man diesen grandios komponierten Roman kaum als ScienceFiction-Roman bezeichnen.

Fazit: ein faszinierendes Stück Literatur, das sich tief einprägt, und wer da meint, das sei ein absolut filmreifer Stoff - Steven Spielberg hat sich bereits die Filmrechte gesichert!

 

# Daniel H. Wilson: Robocalypse (aus dem Amerikanischen von Markus Bennemann); 462 Seiten, Klappenbroschur; Droemer Verlag, München; € 16,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 813 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de