PAUL STEWART/CHRIS RIDDELL: "DRACHENVOLK"

Drachenland, das ist, als hätte sich der Wilde Westen mit dem schottischen Hochland zusammengetan und würde vor allem von sehr unterschiedlichen Drachenvölkern bewohnt. Wer sich dort hin wagt, könnte dem Vernehmen nach unermessliche Schätze finden - wenn er es denn überlebte.

Und "Drachenvolk. Aufbruch ins Ungewisse" heißt auch das jüngste Husarenstück von Autor Paul Stewart und Illustrator Chris Riddell. Allerdings sei vor einer Enttäuschung gewarnt: dieses Drachenwestern-Epos ist in fast nichts zu vergleichen mit den skurrilen Klippenland-Chroniken oder solch urkomischen Figuren wie Fergus Crane oder Hugo Pepper und es wendet sich auch an etwas ältere Leser ab dem Teenageralter.

Rau und wild geht es zu in Drachenland und das muss auch der 17-jährige Micah erfahren, kaum dass er das schroffe unwirtliche Felsenland betreten hat. Sein Glück will der einfache Farmhelfer machen, um bei der verführerischen Seraphita aus guter Familie eine Chance zu haben. Das fremde Land aber wird nicht nur von machtvollen Weißdrachen und vielerlei verwandtem Drachengetier beherrscht, die für sich schon recht gefährlich sind. Eine Heimsuchung sind die Drachenjäger, die es vor allem auf die wertvollen Dracheneier abgesehen haben und vor keiner Grausamkeit zurückschrecken.

Ohnehin geht es in Drachenland zu wie in schlimmsten gesetzlosen Zeiten des Wilden Westens, wo manch einer schon wegen Kleinigkeiten wie einer Wasserflasche abgemurkst wurde, und der Pioniergeist der Glücksritter hat oft genug seine sehr dunklen Seiten. Menschen sind in dieser rabiaten Welt allerdings nicht nur Jäger sondern auch Gejagte und das nicht nur durch die Drachen, die sich ihre Eier, ihre Häute und Organe gar zu ungern rauben lassen. Als besonderen Schutz wählen sie sich Kinder aus dem Kin-Volk, die sie als Wächter und Kampfhelfer auf Lebenszeit an sich binden.

Eine solche ist die ebenso schöne wie furiose und unberechenbare Thrace, die sogar eine abgelegte Drachenhaut als Kleidung trägt und mit "ihrem" Drachen durch die Wolken fliegt auf der Jagd nach den Eierräubern.

Micah hat mittlerweile in dem erfahrenen Trapper Eli einen Gefährten gefunden, mit dem auch er sich bemüht. die Dracheneier zu schützen. Gemeinsam retten sie bei ihren Streifzügen Thrace, die bei einem Überfall von Drachenjägern in eine Schlucht gestürzt ist.

Fast bringt das kampferprobte Kin-Mädchen Micah als vermeintlichen Feind um, er aber verliebt sich dennoch unsterblich in sie. Und bei ihren Rachezügen gegen die Räuber, die längst den ganzen Bestand des Drachenvolks bedrohen, werden die Beiden zu Kampfgefährten. Mehr sei hier nicht verraten von dem hitzigen und mitreißenden Geschehen. Wissen sollte man, dass sich die Geschichte anfangs eher ruhig entwickelt, dann jedoch rasant an Fahrt gewinnt. Das Ganze kommt außer den Fabeltieren ohne jeden Fantasy-Schnickschnack aus und Micah ist zwar ein echter Sympathieträger aber keineswegs ein heldenhafter Weltenretter. Schließlich ist es mühsam genug, die eigene Haut in dieser lebensfeindlichen Welt zu retten.

Erzählt wird diese rundum stimmige Geschichte sehr gradlinig, das allerdings mit einer spannungstreibenden Dramaturgie. Die einzige Enttäuschung bei diesem ansonsten hervorragenden Jugendroman ist die geringe Zahl der stets faszinierenden Illustrationen von Chris Riddell. Dafür dann aber die gute Nachricht: dies ist der Auftakt zu einer Drachenvolk-Trilogie!

 

# Paul Stewart/Chris Riddell: Drachenvolk. Aufbruch ins UNgewisse (aus dem Englischen von Friedrich Pflüger); 464 Seiten, ill.; Sauerländer Verlag, Mannheim; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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