HAL VAUGHAN: "COCO CHANEL - DER SCHWARZE ENGEL"

Coco Chanel war die bedeutendste Modeschöpferin des 20. Jahrhunderts und eine Ikone des Luxus und der Geschäftstüchtigkeit. So wundert es kaum, dass die Biographien über sie auch so manch Kritisches oder Negatives aus ihrem Leben und zu ihrer Persönlichkeit in den Vordergrund rücken.

Noch nie aber wurde die berühmte Dame derartig negativ dargestellt wie von Hal Vaughan. Schon im Titel lässt der Journalist, der sich gern auf seine langjährige Mitarbeit bei der CIA beruft, keinen Zweifel an seiner Einschätzung offen: "Coco Canel - Der schwarze Engel. Ein Leben als Nazi-Agentin". Ausgangspunkt ist Chanels Liebschaft mit dem deutschen Baron Hans-Günther von Dincklage, erwiesenermaßen ein hoher Abwehroffizier und überzeugter Nazi.

Mit 57 Jahren sah die Haute Couture-Königin immer noch hinreißend aus, dennoch muss man verstehen, dass es einer Dame in dem Alter nicht mehr so leicht gelingt, einen attraktivne, hochgestellten und noch dazu deutlich jüngeren Mann für sich zu gewinnen. Genau das aber war der weltmännisch auftretende Freiherr und ab 1940 entspann sich eine echte langjährige Liebesgeschichte daraus. Auch dass es der Chanel durch diese Verbindung gelang, ausgerechnet im "Ritz", der Pariser Nobelherberge der Nazis, Wohnung zu nehmen und sich mit Prominenten zu amüsieren, ist nicht neu.

Um so mehr dagegen die angebliche Spionagetätigkeit für die Nazis, die der Autor mit der einschlägigen Kennkarte für Gabrielle Chanel unter der Nummer F-7124 und dem Decknamen "Westminster" (so hieß einer ihrer hochgestellten früheren Lover!) präsentiert. Mit einem wichtigen Schönheitsfehler - es fehlt die Unterschrift der Agentin. Das erinnert fatal an so manche Stasi-Karteikarten vermeintlicher Inoffizieller Mitarbeiter (IM), die von nichts wussten und meist unwissentlich abgeschöpft wurden.

Auch stellt Vaughan die ebenso ehrgeizige wie geschäftstüchtige Modeschöpferin als krasse Antisemitin dar, die mit Hilfe der Besatzer der jüdischen Unternehmerfamilie Wertheimer den 90 Prozentanteil am damals schon weltberühmten Parfüm "Chanel No. 5" abjagen wollte. Dazu ist bekannt, dass sie und die Wertheimers sich schon vorm Krieg nicht leiden konnten, aber auch aus ihrer grundsätzlich antijüdischen Gesinnung hat sie selbst kein Hehl gemacht.

Bleiben ihre beiden Spanien-Missionen im Dienste des Dritten Reichs - eine unter dem witzigen Operationsnamen "Modellhut" - bei denen sie zuletzt ihre persönliche Bekanntschaft mit Winston Churchill zur Erkundung von Friedensverhandlungen nutzen sollte. Auch hier wird nichts wirklich Neues aufgedeckt. Bleibt als unerfreulicher Eindruck bei Vaughans Ausführungen das, was man juristisch als "Belastungstendenz" bezeichnen würde, wenn er versucht, Coco Chanel als Nazi, Judenhasserin und Spionin für Hitlers Schergen niederzumachen.

IMmerhin wurde sie im Kollaborationsverfahren nach dem Krieg nicht verurteilt und konnte später sogar ihre Karriere glorreich fortsetzen. Bleibt die moralische Verurteilung ihres bedenkenlos genossenen Luxuslebens unter dem Schutzschirm des Feindes, während ihre Landsleute hungerten, von den in den Tod abtransportierten französischen Juden gar nicht zu reden. Das wirft dunkle Flecken auf die ebenso mondäne wie egozentrische Mode-Ikone und man kann es ihr vorwerfen. Allein - das rechtfertigt bei weitem nicht den reißerischen Titel dieser Biographie und so manche Ausdeutung.

Fazit: in manchem eine spannende Lektüre, die sich romanhaft liest, aber nicht überzeugen kann und - vermutlich - der tatsächlichen Vita nur bedingt gerecht wird.

 

# Hal Vaughan: Coco Chanel - Der schwarze Engel. Ein Leben als Nazi-Agentin (aus dem Amerikanischen von Bernhard Jendricke); 384 Seiten, div. Abb.; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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