HELEN FITZGERALD: "LETZTE BEICHTE"

In ihrem Debütroman "Furchtbar lieb" hatte Helen FitzGerald die studierte Sozialarbeiterin Krissie Donald in Glasgow vorgestellt. Die ebenso rotzig-sympathische wie aberwitzig inkonsequente Mitarbeiterin in der städtischen Kinderschutzabteilung hatte dabei in einem recht schräg beginnenden und schließlich bitterböse ausartenden Thriller auf dramatische Weise ihre beste Freundin Sarah verloren.

Allmählich erholt sich Krissie nun von den traumatischen Erlebnissen, lebt mit Söhnchen Robbie und ihrer großen Liebe Chas - der im Finale eine wichtige Rolle gespielt hatte - bei ihren Eltern. Nun aber will sie sich endlich wieder nützlich machen und so zieht sie nicht nur mit Chas, dem attraktiven Maler, sowie Robbie in eine Mietwohnung, sie bewirbt sich auch um einen Job in ihrem Metier. Damit beginnt der neue Roman "Letzte Beichte" und die Autorin bringt noch mehr authentische Berufserfahrung ein als zuvor. Sie war als Sozialarbeiterin im Strafvollzug tätig und genau dahin bringt sie auch Krissie unter.

Bestens bemüht aber auch bei aller Intelligenz naiv und eigensinnig, gerät sie schnell an Typen, die es faustdick hinter den Ohren haben. Am übelsten aber wird es, als Krissie ins Sandhill Gefängnis muss, wo die Knackis so schlimm sind wie die Lebensverhältnisse. Die quasi unterbliebene Berufseinweisung wie auch die gekonnte Schauspielerei tun das Ihrige dazu, dass Krissie mit einem wie Jeremy Bagshaw Mitleid hat und jede Menge Fehler der unprofessionellen Art begeht.

Allerdings wird das verständlich, als Krissie statt nur per Interview ein soziales Gutachten über den Häftling für den späteren Prozess zu erstellen, sich seine tatsächlich sehr verquere Geschichte so zu Herzen nimmt, dass sie selbst - völlig unzulässigerweise - zu ermitteln beginnt. Der sympathische, gebildete und erfolgreiche Makler sitzt in U-Haft, weil er eine Frau bestialisch umgebracht haben soll. Weil er so ganz anders als die schwerkriminellen Mithäftlinge ist, erleidet er zudem eine besondere Anmache im Knast.

Dabei könnte er sofort freikommen, wenn nur seine Mutter endlich das Alibi bestätigen würde, denn zur Tatzeit hatte er diese im fernen London aus dem Krankenhaus geholt. Das aber offenbart den traurigen Hintergrund Bagshaws, denn die erbarmungslose Kälte der alten Dame rührt von einem schicksalhaften Geschehen in seiner Kindheit her, als er mit ganzen vier Jahren ohne Bosheit seine neugeborene Schwester getötet hatte.

Nur wenige Wochen im Job und Krissie steckt mitten in gleich mehreren Sümpfen, denn ihr Engagement im Beruf schafft nicht nur dort Ärger, auch daheim knirscht es zunehmend, zumal Chas wie besessen in seinem Atelier für seine erste Vernissage malt. Und Krissie verstrickt sich in immer neue Fehltritte und Lügen, während sie von Heirat träumt und zugleich auf einer von Chas initiierten Party derartig ausflippt, dass sogar alles verloren zu gehen droht. Wobei sie ganz nebenher auch wieder in Alkoholtröstungen verfällt.

Trotz allem scheinen ihre Ermittlungen im Bagshaw-Fall Erfolg zu bringen, wobei vor allem dessen frisch Angetraute Amanda eine Schlüsselfigur sein könnte. Statt klarer wird der Fall jedoch immer wirrer und bei dem ehemals wilden Früchtchen eröffnet sich nun auch noch eine bewegende Adoptionsgeschichte. Für Krissie aber wird die Situation zunehmend prekär und schließlich sogar lebensgefährlich.

Mehr soll von dieser packenden Achterbahnfahrt nicht verraten werden. Nur eines noch: der Autorin gelingt es tatsächlich, dem dramatischen Finale noch ein überraschendes Oberfinale mit Schockeffekt draufzusetzen. Über die verrückte Heldin regt man sich ein ums andere Mal auf und liebt sie dennoch heiß und innig. Doch auch die übrigen Protagonisten sind ebenso hochklassig wie die Dramaturgie, die nach behäbigem Beginn bald den Turbo anwirft für einen Höllentrip mit herben Szenen und zuweilen schwarzem Humor oder galligem Sarkasmus.

Fazit: ein Spitzenwerk des Genres, das man bis zur letzten Zeile nicht mehr aus der Hand legen mag. Für Zartbesaitete allerdings dringend abzuraten, zumal die Sprache den Akteuren wie dem Geschehen auf drastische Weise angepasst ist.

 

# Helen FitzGerald: "Letzte Beichte" (aus dem Englischen von Steffen Jacobs); 256 Seiten, Klappenbroschur; Galiani Verlag, Berlin;

€ 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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