DAVID FOENKINOS: "NATHALIE KÜSST"

Nur 239 Seiten umfasst "Nathalie küsst", der neue Roman des französischen Erfolgsautors David Foenkinos, doch welch ein Meisterwerk hat er aus dieser Liebesgeschichte gemacht!

Dabei scheint alles ein wenig zu romantisch zu beginnen, zwar exzellent geschrieben, gleichwohl reichlich märchenhaft, denn bei Nathalie und Francois stimmt einfach alles. Aus der Liebe auf den (beinah) ersten Blick zwischen der ebenso schönen wie intelligenten Betriebswirtschaftsstudentin und dem sanften Angestellten wird alsbald eine sehr harmonische Ehe. "Dieses Glück könnte einem Angst machen", so ungetrübt blüht es.

Und selbst für den Beruf gilt das, denn gleich die erste Bewerbung bei der Frankreich-Niederlassung eines schwedischen Möbelkonzerns bringt ihr einen Job als leitende Angestellte ein. Einziges Alarmzeichen ist nur, dass sich ihr Chef Charles umgehend Hals über Kopf in sie verliebt. Allerdings leidet er still, wenngleich intensiv: "Der tägliche Anblick dieser unerreichbaren Frau zehrte ihn aus."

Nach sieben Jahren des Glücks dann der totale Schock: Francois wird beim Joggen durch eigene Unaufmerksamkeit angefahren und stirbt nach Tagen im Koma. Nathalie fällt in ein ganz tiefes Loch und sie braucht nicht nur Monate, um in die Firma zurückkehren zu können. sie hat auch jeden Glauben daran verloren, dass es noch einmal einen Mann in ihrem Leben geben könnte. Das sieht Charles jedoch völlig anders, als sie schließlich an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt.

Während sie sich als Abteilungsleiterin besessen in die Arbeit stürzt, dreht Charles voll auf und das nicht nur mit tröstenden Worten. Mühsam nur kann sich Nathalie immer offeneren und zugleich plumperen Avancen des verheirateten Chefs erwehren. Um so überraschender dann der Kuss aus heiterem Himmel: als Markus, der unauffällige Quotenschwede der Firma, wegen einer Akte in ihr Büro kommt, küsst sie ihn plötzlich und intensiv. Kommentarlos: "Ein grundloser, unmotivierter Akt."

Während Nathalie den Vorfall sogleich verdrängt, rotiert der eher schüchterne Markus und nimmt einen Eroberungsfeldzug auf, der ebenso seltsam ist wie Nathalies Pro und Kontra, als er unbedingt erfahren will, was sie zu diesem Kuss bewegt hat. Daraus entwickelt sich auf hinreißenden Umwegen eine spannende, dabei aber nie ins Kitschige abgleitende Liebesgeschichte. Währenddessen brodelt trotz aller Diskretion und Harmlosigkeit unter den Kollegen die Gerüchteküche. Charles wiederum reagiert derartig panisch auf den vermeintlichen Erfolg des unscheinbaren Schweden, dass er tatsächlich aus der Fassung gerät - mit Szenen, die so skurril sind, als hätte sie Woody Allen erdacht.

Wie es zum Happyend kommt, sei hier nicht verraten, bis dahin aber hat man sich als Leser längst in die grandios ausgeleuchteten Protagonisten verliebt. David Foenkinos hat dieses literarische Wunderwerk zudem mit knappen, präzisen Sätzen verfasst, als hätte Ernest H>emingway einen Liebesroman geschrieben. Und dies so unsentimental, dass gerade dadurch jede Anwandlung von Kitsch vermieden wird und der Blick auf die tiefe Gefühlswelt der Liebenden unverstellt bleibt.

Spielerische kleine Einschübe und Abschweifungen verleihen dem Ganzen charmante Apercus und bereits jetzt darf man sich auf eine Verfilmung mit Audrey Tautou als Nathalie freuen - mit besten Chancen auf einen Kultfilm. Fazit: eine zarte Liebesgeschichte mit allen Qualitäten eines literarischen Juwels - exzellente Übersetzung inklusive.

 

# David Foenkinos: Nathalie küsst (aus dem Französischen von Christian Kolb); 239 Seiten, Klappenbroschur; C. H. Beck Verlag, München;

€ 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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